Intensiver Roman mit vielen Facetten - macht Spaß!

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naibenak Avatar

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Jannik ist siebzehn, (heimlich) schwul, herzensgut und hat ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen. Er ist ein Musikgenie und verliebt in Tai. Dieser ist in Janniks Klasse und hat immer und überall eine Kamera dabei. Er filmt alles und jeden. Beide sind gut befreundet und eines Tages entdeckt Tai den Schulrektor Jens Lamprecht sturzbetrunken des Nachts auf der Straße. Er und Jannik bringen ihn schließlich in sein hoch modernes Apartement und währenddessen hecken sie einen lustigen Plan aus- sie sperren den Rektor einfach in seiner Wohnung ein. Aus Spaß wird dann aber bald bitterböser Ernst. Jannik ist entsetzt über die böse Seite seines Freundes und weiß keinen Rat. Er muss dringend etwas unternehmen. Gleichzeitig fahren seine Gefühle für Tai Achterbahn...

Jens Lamprecht also steckt in seiner Wohnung fest und ist quasi handlungsunfähig. Dafür haben die Jungs gesorgt. Tai verfolgt einen Plan, von dem Jannik nichts weiß. Tai weiß Dinge, die er nun aus dem Rektor herauskitzeln will. Koste es was es wolle.

Der Roman erzählt im Wechsel aus Janniks Sicht (Ich-Perspektive) und Jens Lamprechts Sicht das Geschehen. Jannik kommt dem Leser auf diese Weise sehr nahe. Er ist mir von Anfang an extrem sympathisch, und man möchte ihn am liebsten immer mal fest drücken zwischendurch, wenn er so verzweifelt ob seiner sexuellen Neigung oder wegen des offensichtlich in Kürze stattfindenden Desasters ist. Dazu kommt, dass Jannik in Sachen klassischer Musik ein wahrer „king of music“ ist ;) Da ich selbst auf diesem Gebiet kein Neuling bin, haben mich die Musikszenen sehr begeistert, teilweise belustigt (Anfangsszene!) und manches Mal auch unheimlich berührt. Jannik ist also alles andere als ein „normaler“ Siebzehnjähriger.

Tai wiederum bleibt undurchsichtig. Man weiß fast bis zum Schluss nicht, was er denkt und wie er zu Jannik steht. Benutzt er ihn nur für seine Zwecke?

Und Jens Lamprecht macht sich nackig. Vorallem seelisch. Das mit anzusehen, ist spannend und beängstigend zugleich. Eine thrillerartige Szenerie entwickelt sich und lässt einen immer wieder schaudern.

Dieser Roman von Axel Ranisch besticht durch seine lebendige Spritzigkeit, seinen liebenswerten Hauptcharakter Jannik und den wunderbaren Humor, der mich oft zum Lachen gebracht hat. Es ist ein wunderbar intensiver Coming-of-Age-Roman, gepaart mit einem fiesen Thriller, gepaart mit einem Familienroman. Diese Vielseitigkeit hat allerdings bei mir bewirkt, dass der Roman mich aufgrund der häufigen Szenenwechsel nicht immer so fesseln konnte wie erhofft. Erst ab der zweiten Hälfte bin ich wirklich dran geblieben, da die Spannung quasi auf allen Ebenen ein höheres Level erreicht hat. Zum Ende hin hat mir der Autor allerdings ein bisschen zu breitflächig mit dem Kitsch-Pinsel gearbeitet. Das ist wohl mehr Wunschgedanke als Realität gewesen. Schade. Trotzdem muss ich aber sagen, dass ich „Nackt über Berlin“ sehr gern gelesen habe. Es gibt ganz wunderbare Momente in diesem Buch, weswegen allein es sich schon gelohnt hat :)

Fazit: Spritzig, lustig, liebenswert, tiefsinnig, nachdenklich, spannend und gruselig - ein Roman mit vielen Facetten, manches Mal etwas langatmig, zum Ende etwas kitschig, aber im großen und ganzen empfehlenswert! Hat mir Spaß gemacht!