Eine neue Fremde

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gerwine ogbuagu Avatar

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Die Geschichte eines Umzugs. So intensiv, wie Kinder einen Ortswechsel erleben. Das Heimweh an das Zurückgelassene beginnt schon beim Packen. Die zwölfjährige Edith erzählt ihre Eindrücke. Sie schreibt Tagebuch. Sie erzählt das ganze Drama, wenn umgezogen wird und zwar, weil die Eltern es wollen und nicht die Kinder. Die neue Heimat wird Krakau in Polen sein. Ihre Gedanken erleben wir intensiv, über das neue fremde Zuhause, Erkunden der Nachbarschaft und die Umgebung, den Schulwechsel. „So vieles ist fremd für mich. Ich bin fremd“, schreibt sie. So ganz allmählich – mit dem Beginn der Schulzeit – wird es besser. Sie fährt mit dem Bus, entdeckt Krakau. Freundet sich an mit Milena. Eine Freundschaft beginnt. Hilfreich sind auch ihre Klassenlehrerin und andere Lehrer. Erstaunlich, wie viele Menschen Deutsch sprechen, entdeckt sie, es wird auch als Schulfach gelehrt, so wie Englisch und Französisch. Sie macht sich viele Gedanken über Vorurteile: mit ihrer Hündin Lina macht sie Spaziergänge im Feld, Äpfel leuchten und gern würde sie einen pflücken, aber „ich traue mich nicht, einen Apfel vom Baum zu pflücken. Es könnte ich ja jemand sehen - und dann heißt es vielleicht: Die Deutsche klaut Äpfel.“
Sie erkundet mit den Klassenkameraden Milena und Antek Krakau, sie besuchen den Flohmarkt in Kasiemierz, dem früheren jüdischen Viertel und treffen dort den wunderbaren Buchhändler Jerzy Singer. Diese Geschichte eines Einlebens birgt noch ein Geheimnis - wobei Jerzy den Kindern hilft, das Rätsel im Haus von Ediths Eltern zu lüften. Das Mysterium dort, das tief in die Vergangenheit führt, liest sich faszinierend und im höchsten Maße anrührend. Die Schreibweise, Wechsel des Erzählens mit Ediths Tagebucheinträgen kommt dem Thema sehr entgegen. Dieses Buch von Antje Bones ist ein Juwel in der Jugendliteratur, das ich den Erwachsenen zu lesen wünsche, die diese Literatur lieben. Die Illustrationen von Michael Ssyszka tragen zur Freude des Lesens und Entdeckens bei.