Ein Text von einer Galligkeit, die ihresgleichen sucht

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In den USA ist Fran Lebowitz eine Ikone mit eigener Netflix-Serie, bei der kein geringerer als Martin Scorsese ihr ein Denkmal setzt. Mir sagte sie nichts, doch das sollte sich durch „New York und der Rest der Welt“ ändern ...

Das Buch ist eine Zusammenstellung von Texten, die Lebowitz im Laufe ihres Lebens geschrieben hat und sie möchte sie als das verstanden wissen, als was sie gedacht waren, nämlich etwas andere Kunstgeschichte. Wenn man dann liest, dass sie von Warhol entdeckt wurde, ist der Rahmen gesteckt. Was man über den Inhalt des Buches bzw. der Texte oder Kolumnen sagen kann, ist schwierig: Die Themen sind bunt gemischt und reichen von allgemeinen Dingen über menschlich-gesellschaftlich-soziale bis zu einem von Lebowitz‘ offensichtlichen Lieblingsthemen: ihrer Heimat New York, das für sie eine Art Golem zu sein scheint.

Lebowitz beobachtet genau und schildert diese Beobachtungen und Ansichten dazu in ihren Texten – einige stammen aus ihrer anfänglichen Schaffenszeit und haben damit inzwischen bis zu 50 Jahre auf dem Buckel. Daher mögen manche Texte bzw. auch einzelne Anspielungen ihren damaligen Witz verloren haben (manche mögen Nicht-New-York-Kennern auch auf alle Zeiten verborgen bleiben), bei anderen (stereotypen Aussagen) fragt man sich „Echt jetzt?“. Im Wesentlichen kreisen die Geschichten um Lebowitz‘ Ansichten, die mal mit einem eigenwilligen Humor, mal als sozialer Kommentar daherkommen, immer aber subjektiv, und zwar auf boshafte Art. Das kann schreiend komisch sein (zumindest wenn man auf Sarkasmus in seiner galligsten Form gut zu sprechen ist) oder schrecklich aus der Zeit gefallen wirken (gerade ihr Lebensstil mit Rauchen, Alkohol usw., aber auch ihre wenig „konstruktive Art“). Die Sprache ist so scharf wie ihre Analysen und ihre Zunge; Lebowitz schafft es auf den Punkt, alles niederzumachen, was ihr vor die Flinte gerät, gerade dann, wenn es eigentlich keines Kommentars wert wäre: Satire pur. Allerdings ist es schwierig, die Texte am Stück zu lesen, ohne sich den Strick zu nehmen, was Lebowitz vermutlich begrüßte … Um Gefallen an dem Buch zu finden, sollte man m. E. einige Voraussetzungen mitbringen: Man sollte ein gewisses Alter haben (dann könnte bei den Texten eine nostalgische Stimmung aufkommen), man sollte New York kennen (und möglichst mögen) und vor allem sollte man diese Art von Humor mögen bzw. zu Misanthropie neigen. Wenn all diese Voraussetzungen gegeben sind: Volltreffer; wenn sie es nur in Teilen sind, wird es deutliche Abstriche geben. Für mich 3,5 Sterne, die abgerundet werden, weil mir der New-York-Bezug fehlt und letztlich jeder selbst entscheiden sollte, ob die Lektüre gefallen könnte.