Humor mit dem Charme der 80er

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missmarie Avatar

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Fran Lebowitz ist spätestens seit dem Netflix-Erfolg "Pretend it´s a City" ziemlich gehyped. In der Serie wird sie zurecht als grantig-liebenswürdige Wegbegleiterin vieler New Yorker Größen (z.B. Andy Warhol) verehrt. Auf dem Bildschirm zeichnet sie sich durch Schlagfertigkeit und Wortwitz aus. Auf dem Papier kommt das allerdings nur in Ansätzen rüber.

Mag sein, dass ein einwöchiger New York Besuch nicht ausreichend Hintergrundwissen für Lebowitz Kolumnen hergibt. Vielleicht ist es auch so, dass nun mehr fünfzig Jahre zwischen dem Verfassen der ersten Texte in "New York und der Rest der Welt" und ihrer Veröffentlichung in Deutschland liegen. Das neuerschienene Buch ist nämlich die Übersetzung von Kolumnen aus dem Englischen, die dort schon in den 70er-Jahren unter dem Titel "The Fran Lebowitz Reader" erschienen sind.

Woran auch immer es auch liegen mag, mich hat das Buch (anders als die Serie) so gar nicht gepackt. Vieles ist für mein Empfinden einfach nicht lustig gewesen. Nur ganz selten hat mich ein Satz zum Schmunzeln gebracht. Die meisten Kolumnen aber liegen zwischen gerunzelten Augenbrauen oder einem leichten Gefühl von Fremdscham.

Besonders störend empfand ich, dass Lebowitz ihre Weltsicht dauernd als absolut und richtig präsentiert. Das mag vielleicht bei einer fast achtzigjährigen, erfolgreichen New Yorkerin als Starallüren ausgelegt werden. Wenn man sich vor Augen hält, dass die Texte aber von einem fünfzig Jahre jüngeren Ich verfasst wurden, dann wird es unerträglich. Mit welchem Recht urteilt Lebowitz über das, was anderen Menschen lieb und teuer ist (ihre Haustiere, ihre Kinder, ihre Jobs)? Muss man sich wirklich so oft über Menschen der unteren Einkommensschichten auslassen, um seine Pointe zu machen und zu betonen, dass man selbst dieser Welt nicht (mehr) angehört? Fairer Weise muss man zugeben, dass sich Lebowitz im gleichen Zug auch die Upper Class vornimmt. Aber Witze auf Basis der Bedürftigkeit armer Menschen zu machen und sich gleichzeitig mit dem eigenen Nichtstun zu rühmen - das widerspricht meinem Moralempfinden.

Gehofft hatte ich auf intelligente und gerne auch bissige Texte über New York, denen man aber auch die Liebe für die Eigenheiten von Stadt und Bewohnern anmerkt. Bekommen habe ich ein Buch voller Überheblichkeit, die sich als Gesellschaftssatire verkaufen möchte. Schade - definitiv keine Empfehlung.