Zynismus ohnegleichen

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Seit „Pretend it´s a City“ auf Netflix zu sehen ist, hat Fran Lebowitz wohl einige Leser*innen dazugewonnen, auch ich gehöre dazu. „New York und der Rest der Welt“ ist gerade erschienen und ich war neugierig. Es ist eine Art Essaysammlung und schon im Vorwort weist Fran Lebowitz darauf hin, dass es sich dabei nicht um neue Texte handelt. Sie entstanden in ihren 20ern und 30ern und das ist schon eine Weile her. Es mutet wie ein Blick in die Vergangenheit an, wo man noch überall Rauchen durfte und so etwas wie CB-Funk geradezu neuartig war. Sie thematisiert mit ihrer bissigen Ironie den Alltag als Schriftstellerin und das Leben in einer Stadt wie New York. Sie legt ein Brennglas auf das Triviale und versteht sich meisterhaft darin. Sie zeigt, dass eine gute Schriftstellerin über alles schreiben kann und es brachte mich einige Male zum Lachen. Doch in einem Zug ist es etwas anstrengend. Man sollte es sich in wohldosierten Happen gönnen, ansonsten befürchte ich, dass ihr Zynismus schnell abfärben könnte.
Nichts bleibt von ihr verschont, ob es Diäten sind oder die katholische Kirche. So wie sie schreibt, stelle ich mir den Archetyp einer New Yorkerin vor und ich sehe sie direkt vor mir, wie sie vor ihrer Schreibmaschine sitzt mit einer Zigarette in der Hand, einem Lächeln auf den Lippen und etwas aufs Korn nimmt, was ein normaler Mensch nicht einmal bemerkt hätte.
Etwas schade finde ich, dass es sich dabei um ältere Texte handelt, weil ich mit einigen Themen wenig Berührungspunkte hatte und ein Stirnrunzeln konnte ich manchmal auch nicht unterdrücken, Ironie hin oder her. Ich wünsche mir jedenfalls neuere, aktuellere Texte von Fran Lebowitz, die jetzt am Puls der Zeit sind, auch wenn die Sicht auf ein früheres New York durchaus interessant war.