Nicht perfekt und trotzdem gut genug

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herr_rabowski Avatar

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Ein auffallend unperfekter Titel auf einem schlichten Cover. Thomas Curran untergliedert seine Ausführungen zum Perfektionismus in verschiedene Teile, wobei der definierende und erklärende Teil den größten Part einnimmt. Das ist vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Formen des Perfektionismus auch angebracht und hilfreich für das Verständnis. Aufbau und Übergänge zwischen den einzelnen Kapiteln und Themen sind mir positiv überleitend aufgefallen.
Mir gefällt sehr gut, dass er viele Bezüge zu bereits geführten Studien und anderen Wissenschaftler:innen nimmt, um seine Aussagen zu untermauern. Vergleichswerte liefern ihm dabei die Entwicklungen in den USA, Kanada und Großbritannien. Seine Erkenntnisse untermauert Curran durch verschiedene Grafiken, was den Text optisch auflockert und das Verständnis erleichtert.
Der Autor bietet ein umfangreiches Quellenverzeichnis, aus dem sich im Nachhinein bei Interesse durchaus noch Folgelektüre ergeben kann. Insbesondere die Gedankengänge und Erkenntnisse von Karen Horney, die sich der Thematik schon sehr frühzeitig näherte, finde ich interessant.

Thomas Curran stellt eine erschreckende Entwicklung des Perfektionismus vor, die jeden in Alarmbereitschaft versetzen müsste, mindestens zum System unserer Kultur, um den daran anknüpfenden und diesen zunehmend verstärkenden sozial vorgeschriebenen Perfektionismus aufzuhalten. Denn die Folgen für die Gesellschaft durch psychische Erkrankungen, in denen Perfektionismus eine entscheidende Rolle spielen, sind prekär und dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Die Lösungsansätze im letzten Teil für die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen fallen recht knapp aus und empfinde ich eher als anregende Gedankengänge. Da müsste man sich gezielt mit Ratgebern und/oder Therapeuten näher beschäftigen bzw. sich Hilfe geben lassen, um ein Umdenken im eigenen Kopf in Gang zu setzen.

Den Abschluss als Ausblick in eine post-perfektionistische Gesellschaft und welch große Umwälzung unseres Wirtschafts- und Gedankenkonstruktes dafür erforderlich sein könnte, finde ich gelungen. Er gibt in jedem Fall Denkanstöße und Ermutigung, einen anderen Weg einzuschlagen.
Ich hatte mir dennoch etwas mehr Hilfestellung für die Befreiung aus dem Perfektionismus gewünscht, da das der Titel es so erwarten ließ.

Sprachlich ist das Buch ansprechend und doch anspruchsvoll.

Alles in allem ein sehr interessantes Sachbuch, das einen guten Überblick über Ursachen und Zusammenhänge des Perfektionismus verschafft, gedankliche Anregungen für Lösungen liefert und zur Veränderung aufruft.