Ein Roman wie ein Herzschlag – intensiv, atmosphärisch und voller leiser Tragik

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debby1309 Avatar

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Schon der Prolog von „Niemands Töchter“ hat mich tief berührt. Judith Hoersch schafft es, mit wenigen Sätzen eine melancholische Stimmung aufzubauen, die einen sofort in den Bann zieht. Alma, die am Bahnsteig das innige Wiedersehen zwischen Mutter und Tochter beobachtet, während sie selbst nur Verlust kennt – dieser Moment war still, kraftvoll und emotional so präzise beschrieben, dass ich sofort in der Geschichte versank.

Die anschließenden Kapitel zu Marie und Gabriele verdeutlichen, wie unterschiedlich die Lebenswege der Frauen sind und doch wie ähnlich die Verletzungen, die sie mit sich tragen. Besonders Maries Kapitel haben mich sofort gefesselt. Die Schilderungen der frühen 80er-Jahre in Berlin wirken so atmosphärisch, lebendig und nah, dass ich das Gefühl hatte, mit ihr über den Flohmarkt zu laufen, die Polaroids in den Händen zu halten und den Klang des Dschungel-Clubs im Hintergrund zu hören. Marie ist eine Figur voller Sehnsucht, Unsicherheit und stiller Stärke – man möchte sie einfach in den Arm nehmen.

Die Annäherung zwischen ihr und Leonard ist so sanft und gleichzeitig so intensiv erzählt, dass man die Zartheit dieser jungen Liebe fast körperlich spürt. Umso härter trifft einen dann der Schock der Schwangerschaft, die Marie ganz allein mit sich ausmachen muss. Ihre verletzliche Beziehung zur Mutter, die abweisend, überfordert und egozentrisch reagiert, bricht einem das Herz.

Auch Gabriele, die mit dem Verlust ihres Kindes kämpft und versucht, in der Arbeit Halt zu finden, ist eine unglaublich fein gezeichnete Figur. Ihre Trauer, die Stille und die Leere werden so sensibel beschrieben, dass man die Schwere dieses Verlusts körperlich fühlen kann.

Judith Hoersch schafft es, die Schicksale dieser Frauen in einer klaren, poetischen Sprache zu erzählen, die nie kitschig wird, sondern zutiefst authentisch bleibt. Die Leseprobe hat mich emotional völlig mitgerissen. Ich habe das Lesen nicht unterbrechen können – zu stark war der Sog der Figuren, zu eindringlich die Atmosphäre.

Mein Fazit: Ein vielversprechender, intensiver Roman über Mutterschaft, Verlust, Selbstbestimmung und die Frage, was uns im Leben prägt. Einfühlsam, klug erzählt und berührend bis in die Tiefe. Ich möchte unbedingt weiterlesen und erfahren, wie sich die Wege dieser Frauen verweben.