Von verlorenen Wurzeln und Neuanfängen

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vo.nicole Avatar

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Judith Hoersch erzählt in "Niemands Töchter" die Geschichte von vier Frauen. Alma wächst in den Achtzigerjahren in der Eifel mit ihrer Mutter Gabriele auf, fühlt sich in ihrer Familie fremd und lebt mit einem Schweigen über ihre Herkunft. Isabell lebt in Berlin und vermisst ihre Mutter Marie auf eine Weise, die ihr gesamtes Fühlen und Handeln bis in die Gegenwart hinein prägt. Als sich ihre Wege schicksalhaft kreuzen, entfaltet sich eine Geschichte, die über Generationen hinweg von Verlust und der Suche nach Zugehörigkeit erzählt.

Besonders gefallen hat mir die Sprache des Romans. Sie ist poetisch, ruhig und voller Sätze, die zum Innehalten einladen. Ich habe mir beim Lesen einige Zitate notiert (z. B. "Verzeihen und verstehen haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun.") Zudem finde ich die Verknüpfung der verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen sehr gelungen. Die oft kurzen Kapitel, die vielen Zeitsprünge und die unterschiedlichen Stimmen der vier Frauen sorgen für ein hohes Tempo und einen durchgehend spannenden Erzählfluss. Die Geschichte nähert sich dabei behutsam den Themen Identität, Mutterschaft und Herkunft und gibt immer wieder entsprechende Denkanstöße. Die Protagonistinnen sind mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet: komplett unterschiedlich in ihren Persönlichkeiten und Lebenswegen, dabei aber stimmig und glaubwürdig in ihren Entwicklungen.

Einziger kleiner Kritikpunkt ist für mich das Zusammentreffen von Alma und Isabell, das (ohne zu viel vorwegzunehmen) etwas konstruiert und von einigen Zufällen getragen wirkt. Dennoch fügt es sich für mich insgesamt passend in die Erzählung ein.

Alles in allem ist "Niemands Töchter" ein sehr berührender, poetischer und leiser Roman. Ein tolles Debüt von Judith Hoersch, das ich sehr gerne weiterempfehle.