Komplex und emotional fordernd
Der Assistenzarzt Terry, völlig überarbeitet, muss nun auch noch den plötzlichen Tod seiner Mutter verkraften. Als er sich in Boulder City um die Formalitäten kümmert, lernt er die bildschöne Bethany kennen, die gerade aus ihrer Wohnung geflogen ist. Er widersteht ihr zunächst, aber zurück in L.A. bekommt er die Info, dass sie ohne seine Erlaubnis im Haus seiner Mutter eingezogen ist. Eigentlich will er sie rauswerfen, aber ihr Sexappeal ist stärker. Bald tritt ihr gewalttätiger Exfreund Jesse auf den Plan, der Bethany wiedergewinnen will.
Abwechselnd aus diesen drei personalen Perspektiven entwickelt Boyle seine Story. No Way Home ist keine mühelose Lektüre; zwar ist die Sprache Boyles wie immer flüssig, bildhaft und pointiert und seine Figuren gekonnt gezeichnet. Aber dieses Trio macht es uns schwer. Jesse und Bethany treiben ziellos durch ihr Leben und betäuben das Gefühl der Sinnlosigkeit mit Nikotin, Alkohol und sonstigen Drogen. Beide haben sich Ziele gesetzt, die sie ständig selbst sabotieren, denn die nächste Bar ist nicht weit.
Terry ist der Klügste des Trios, aber auch der emotional Bedürftigste. Einzig seine Tätigkeit als Arzt verleiht ihm Selbstwertgefühl. Bethany spürt seine Schwäche und manipuliert ihn damit – er verfällt ihr zusehends, wider besseres Wissen. Sie redet sich ein, verliebt in ihn zu sein, aber tatsächlich sucht sie vorrangig nach Sicherheit und hält ihn lediglich für einen „guten Fang.“ So wie Terry besser mit ihr brechen sollte, so geht es Beth mit ihrem Ex, der sie immer wieder einwickelt. Mit Jesse führt Boyle die Auswirkungen toxischer Männlichkeit vor.
Hauptfigur und Sympathieträger des Romans ist eindeutig Terry, obwohl es schwer fällt, mit ihm nicht die Geduld zu verlieren. Es ist regelrecht quälend zu verfolgen, wie Terry eine schlechte Entscheidung nach der anderen trifft – wobei auch Bethanys Fehlentscheidungen gravierende Folgen für ihn haben. Der Name der Figur Bethany - er bedeutet wörtlich „Haus der Feigen“, mit der Konnotation Fruchtbarkeit, Frieden und Erneuerung – zeigt, was beide Männer in ihr sehen. Aber aufgrund ihrer eigenen Haltlosigkeit kann sie das Versprechen ihres Namens nicht einlösen. Stattdessen no way home - Terry hat keinen Ort mehr, den er Heimat nennen könnte, seit seine Mutter vor Jahren das Familienheim verkauft hat, und Beth und Jesse haben schon lange jede Orientierung verloren. Aber noch hat Terry Perspektiven – wenn er die Kurve kriegt.
Boulder City - eine Kleinstadt in der Wüste, in unmittelbarer Nähe zum Hoover Staudamm und Lake Mead, steht im Roman für den Klimawandel. Seit Jahrzehnten sinkt der Wasserstand des Sees. Stetige Mahnung – von den Protas weggedrückt – ist der viele Meter hohe mineralisch-weiße Rand des Sees, der durch die Verdunstung des Wassers entstanden ist. Auch Terrys Krankenhausumfeld in L.A. ist trostlos: Immer wieder ist er mit desolat kranken Obdachlosen konfrontiert, und als Terry selbst Behandlung benötigt, bringt ihn das finanziell ans Limit. Boyle illustriert damit die klaffende Schere zwischen Arm und Reich, den Kampf der Mittelschicht um Statuserhalt und das unzureichende Gesundheitssystem der USA, Faktoren, die zum Ruin der noch mächtigsten Nation der Erde beitragen.
Mit Jesse, Bethany und Terry zeichnet Boyle das Bild einer verlorenen Generation in einem deprimierenden Setting – ohne Halt in einer Welt im Niedergang, ohne Werte oder höheres Ziel. Ich lese den Roman als Bild einer leisen Apokalypse, die sich in den drei Hauptfiguren manifestiert. In diesem Rahmen wird Sex zu einer destruktiven Kraft, die das Trio in einer unheilvollen Schleife hält und bei allen ihre schlechtesten Eigenschaften zutage fördert. Das ist ungemein glaubwürdig konstruiert und erzeugt beim Lesen eine schwer aushaltbare Gefühlsmelange aus Spannung, Überdruss, Mitgefühl und Ungeduld.
Wer das auf sich nehmen will, dem sei dieser komplexe Roman empfohlen. Weniger leidensfähigen Leserinnen rate ich eher ab.
Abwechselnd aus diesen drei personalen Perspektiven entwickelt Boyle seine Story. No Way Home ist keine mühelose Lektüre; zwar ist die Sprache Boyles wie immer flüssig, bildhaft und pointiert und seine Figuren gekonnt gezeichnet. Aber dieses Trio macht es uns schwer. Jesse und Bethany treiben ziellos durch ihr Leben und betäuben das Gefühl der Sinnlosigkeit mit Nikotin, Alkohol und sonstigen Drogen. Beide haben sich Ziele gesetzt, die sie ständig selbst sabotieren, denn die nächste Bar ist nicht weit.
Terry ist der Klügste des Trios, aber auch der emotional Bedürftigste. Einzig seine Tätigkeit als Arzt verleiht ihm Selbstwertgefühl. Bethany spürt seine Schwäche und manipuliert ihn damit – er verfällt ihr zusehends, wider besseres Wissen. Sie redet sich ein, verliebt in ihn zu sein, aber tatsächlich sucht sie vorrangig nach Sicherheit und hält ihn lediglich für einen „guten Fang.“ So wie Terry besser mit ihr brechen sollte, so geht es Beth mit ihrem Ex, der sie immer wieder einwickelt. Mit Jesse führt Boyle die Auswirkungen toxischer Männlichkeit vor.
Hauptfigur und Sympathieträger des Romans ist eindeutig Terry, obwohl es schwer fällt, mit ihm nicht die Geduld zu verlieren. Es ist regelrecht quälend zu verfolgen, wie Terry eine schlechte Entscheidung nach der anderen trifft – wobei auch Bethanys Fehlentscheidungen gravierende Folgen für ihn haben. Der Name der Figur Bethany - er bedeutet wörtlich „Haus der Feigen“, mit der Konnotation Fruchtbarkeit, Frieden und Erneuerung – zeigt, was beide Männer in ihr sehen. Aber aufgrund ihrer eigenen Haltlosigkeit kann sie das Versprechen ihres Namens nicht einlösen. Stattdessen no way home - Terry hat keinen Ort mehr, den er Heimat nennen könnte, seit seine Mutter vor Jahren das Familienheim verkauft hat, und Beth und Jesse haben schon lange jede Orientierung verloren. Aber noch hat Terry Perspektiven – wenn er die Kurve kriegt.
Boulder City - eine Kleinstadt in der Wüste, in unmittelbarer Nähe zum Hoover Staudamm und Lake Mead, steht im Roman für den Klimawandel. Seit Jahrzehnten sinkt der Wasserstand des Sees. Stetige Mahnung – von den Protas weggedrückt – ist der viele Meter hohe mineralisch-weiße Rand des Sees, der durch die Verdunstung des Wassers entstanden ist. Auch Terrys Krankenhausumfeld in L.A. ist trostlos: Immer wieder ist er mit desolat kranken Obdachlosen konfrontiert, und als Terry selbst Behandlung benötigt, bringt ihn das finanziell ans Limit. Boyle illustriert damit die klaffende Schere zwischen Arm und Reich, den Kampf der Mittelschicht um Statuserhalt und das unzureichende Gesundheitssystem der USA, Faktoren, die zum Ruin der noch mächtigsten Nation der Erde beitragen.
Mit Jesse, Bethany und Terry zeichnet Boyle das Bild einer verlorenen Generation in einem deprimierenden Setting – ohne Halt in einer Welt im Niedergang, ohne Werte oder höheres Ziel. Ich lese den Roman als Bild einer leisen Apokalypse, die sich in den drei Hauptfiguren manifestiert. In diesem Rahmen wird Sex zu einer destruktiven Kraft, die das Trio in einer unheilvollen Schleife hält und bei allen ihre schlechtesten Eigenschaften zutage fördert. Das ist ungemein glaubwürdig konstruiert und erzeugt beim Lesen eine schwer aushaltbare Gefühlsmelange aus Spannung, Überdruss, Mitgefühl und Ungeduld.
Wer das auf sich nehmen will, dem sei dieser komplexe Roman empfohlen. Weniger leidensfähigen Leserinnen rate ich eher ab.