Ménage à trois

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buecherwurm Avatar

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Das Cover lässt dezent erahnen, dass eine Frau eine zentrale Rolle spielt, das genügt:)
Da dies mein erstes Buch von T.C. Boyle ist, gibt es keinen speziellen Erwartungshorizont. Sofort bin ich in der Geschichte drin, in der Wüstenkleinstadt Boulder City. Und plötzlich auf Seite 380, keine Hänger, keine Zweifel an Boyles Talent! Er versteht es vorzüglich, Spannung aufzubauen, den Bogen zu halten, noch ein wenig straffer zu spannen und eine komplett absorbierende Geschichte zu erzählen. Dabei vernachlässigt er weder die Feinheiten, noch die Widersprüchlichkeiten seiner Charaktere, alles geprägt von einer bemerkenswerten atmosphärischen Dichte.
Bei allen drei Hauptfiguren, deren Perspektiven im Wechsel beleuchtet werden, ist allerdings die Glaubwürdigkeit meiner Ansicht nach nicht ganz gegeben. Gibt es unter Highschool-Lehrern in amerikanischen Kleinstädten tatsächlich solche Schlägertypen mit Motorrad? Die aber auch eine weiche Seite haben, und schriftstellerische Ambitionen?
Hat ein Assistenzarzt, dessen Mutter vor so kurzer Zeit gestorben ist, wirklich den Kopf frei für eine derartig einnehmende Liebesbeziehung?
Ich kann mich in keinen der beiden Männer hineinversetzen, und auch die Frau zwischen ihnen, die die Fäden in der Hand hält, erschließt sich mir nicht. So viel Gewalt, die sie indirekt zu verantworten hat, aber keinerlei Skrupel?
Alle miteinander trinken definitiv viel zuviel Alkohol, und die meisten schrecken auch vor keiner anderen Droge zurück.
Ist die Gesellschaft im kleinstädtischen Milieu tatsächlich so selbstzerstörerisch? In LA ist es nicht besser, jede Menge Leute, die in der ärztlichen Notaufnahme landen, häufig aus selbst verursachten Gründen. Und natürlich als Opfer des politischen Überbaus, unaufdringlich angedeutet, zum Beispiel als Terry und Bethany im Auto Radio hören.
Jede Menge Gesellschaftskritik, ein wirklich schlechtes Menschenbild, und daraus wird dennoch ein mitreißender Roman! Es überrascht nicht, dass Boyle besonders in Deutschland so erfolgreich ist.
Dieses Buch wird nicht mein Einziges von ihm bleiben, allerdings würde ich es nur Leuten empfehlen, die kein Problem mit derben Abgründen haben und nicht unbedingt etwas Schöngeistiges lesen möchten.