Sprachlich brilliant, aber emotional etwas distanziert

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kgranger Avatar

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Ich liebe T.C. Boyle und freue mich immer auf seine neuen Romane – kaum ein Autor beobachtet menschliche Schwächen so scharf und schreibt dabei so lebendig und bildgewaltig. No Way Home bildet da keine Ausnahme: sprachlich ist das Buch wieder meisterhaft, mit dieser typischen Mischung aus Witz, Abgründigkeit und präziser Gesellschaftsbeobachtung, die Boyles Stil so unverwechselbar macht.

Die Geschichte um Terry, den Arzt aus Los Angeles, der nach dem Tod seiner Mutter in die Einsamkeit der Wüste zieht und dort der rätselhaften Bethany begegnet, ist zunächst voller Spannung. Schnell entwickelt sich ein unheilvolles Dreiecksverhältnis zwischen Terry, Bethany und ihrem Ex Jesse – ein düsteres Kammerspiel in der glühenden Hitze Nevadas. Boyle gelingt es, die klaustrophobische Atmosphäre und das brodelnde Begehren, das unter der Oberfläche lodert, eindrucksvoll einzufangen.

Trotzdem muss ich sagen: No Way Home hat mich weniger gepackt als seine letzten Werke. Vielleicht liegt es daran, dass ich keinen der Protagonisten wirklich sympathisch fand. Alle drei Figuren sind auf ihre Weise getrieben, egoistisch und oft schwer greifbar. Das ist sicher gewollt – Boyle interessiert sich nun mal mehr für menschliche Abgründe als für Identifikationsfiguren – aber es hat mir das Mitfühlen ein wenig erschwert.

Unterm Strich ist No Way Home dennoch ein starkes Buch: atmosphärisch dicht, klug konstruiert und sprachlich brillant. Nur emotional bleibt es für mich etwas kühler als Boyles frühere Romane – deshalb „nur“ vier Sterne, aber immer noch auf hohem Niveau.