Zwischen Herz und Verstand - im Bann toxischer Gefühle

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Was passiert, wenn sich ein rationaler Arzt, eine impulsive junge Frau und ein eifersüchtiger Ex-Freund in einem verlassenen Haus in Nevada begegnen? T.C. Boyle wirft seine Figuren in ein emotionales Minenfeld – und der Leser schaut fasziniert zu.

Nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter reist der junge Assistenzarzt Terry von Los Angeles nach Nevada, um ihren Nachlass zu regeln. Dort trifft er auf die charismatische Bethany, die sich überraschend schnell in sein Leben – und in das Haus seiner Mutter – drängt. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Beziehung, doch Bethanys Vergangenheit holt sie bald ein, als ihr Ex-Freund Jesse auftaucht. Es entspinnt sich eine gefährliche Dreiecksdynamik, geprägt von Begehren, Eifersucht und innerer Zerrissenheit.

Boyle erzählt abwechselnd aus der Perspektive der drei Hauptfiguren, was den Leser tief in deren jeweilige Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen lässt. Der klare, flüssige Schreibstil sorgt dafür, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.

Besonders eindrucksvoll sind die realistisch geschilderten Krankenhaus-Szenen, die nicht nur Terrys stressigen Berufsalltag, sondern auch seine soziale Unsicherheit verdeutlichen. Er wirkt wie ein sympathischer, aber etwas verlorener Mensch – jemand, der mit zwischenmenschlichen Beziehungen oft überfordert scheint. Das macht ihn für Bethany zu einer leicht zu beeinflussenden Figur, auch wenn sie selbst innerlich zerrissen und teilweise sogar naiv wirkt. Jesse hingegen bleibt in seiner Rolle als instabiler Ex-Freund eher eindimensional und schwer erträglich – was möglicherweise beabsichtigt ist.

Gerade weil der Roman toxische Beziehungsmuster so eindringlich beschreibt, hätte ich mir gewünscht, dass es zumindest Ansätze zur Überwindung dieser Muster gibt. Die Figuren treten jedoch auf der Stelle, und es fehlt ein erkennbarer Wendepunkt oder eine Entwicklung. Vielleicht ist genau das Boyles Intention – die Macht solcher Dynamiken und die Schwierigkeit, sich daraus zu befreien, schonungslos darzustellen. Dennoch hätte dem Roman eine emotionale Auflösung oder ein Wendepunkt gutgetan.

Fazit:
No Way Home ist ein intensives Beziehungsdrama mit psychologischem Tiefgang, das seine Figuren schonungslos entblößt. Wer sich für menschliche Abgründe, komplexe Beziehungen und literarische Spannung interessiert, wird bei diesem Roman fündig – auch wenn die erhoffte Läuterung ausbleibt.