Außergewöhnliches Romandébut! - Lesen! -

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"Wie man aus der Welt fällt und wieder ins Leben findet: Die wunderbar komische, herzerwärmende Geschichte von Millie Bird und den zwei schrägen Alten Karl und Agatha" (Quelle: Buchrückentext)

Das Cover zeigt ein kleines Mädchen, das staunend in den Sternenhimmel (und die Welt unter diesem) schaut und ist sehr ansprechend sowie passend zum Romaninhalt. Erschienen ist dieses außergewöhnliche Début der jungen australischen Autorin im Antje Kunstmann Verlag, München, 2015 als HC in wunderschönem Einband - im Original ist der Titel des Buches "Lost & Found" und wurde von Ulrike Becker vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Leseeindrücke/Meinung:
Der Leser begleitet die Hauptprotagonisten durch deren Leben, das immer in abwechselnder Perspektive von Millie Bird (8), Karl dem Tasttipper (87) und Agatha Panta (82) erzählt wird.
MILLIE zählt in ihrem "Buch der toten Dinge" alles auf, was ihr in ihrem Leben an gestorbenen Lebewesen begegnet... Als das Leben ihr und ihrer Familie übel mitspielt, wird sie von ihrer Mutter im Kaufhaus nicht mehr abgeholt: Es handelt sich um ein aufgewecktes Mädchen, das versucht, mit dieser Situation zurechtzukommen und nachfolgend immer wieder "ICH BIN HIER MUM"-Schilder schreibt, mit ihren Gummistiefeln und auch Schaufensterpuppen spricht und "KARL, den Tasttipper" dort kennenlernt, der aus bestimmten familiären Gründen jeden Morgen dort einen Café trinkt und ein Muffin verspeist, das er gerne an Millie abtritt... Karl versucht auch, aus den Tasten, die Evie, seine Frau ihm hinterlassen hat, eine Botschaft zu entschlüsseln... Das Schreiben auf der Maschine war die Leidenschaft von beiden, bis zu Evies Lebensende...
AGATHA vergräbt sich nach dem Tode von Ron, ihrem Mann, in ihrem Haus und geht fortan nicht mehr vor die Tür (bis sie Millie entdeckt und zuvor sah, was in der Nachbarfamilie passierte). Ihre Tage erfolgen nach dem Minutentakt auf diversen Stühlen (Stuhl der Fassungslosigkeit, Stuhl der Verköstigung, Stuhl des Grolls etc.), die ich allesamt - wie die alte Dame überhaupt - sehr skurril (wenn auch neurotisch) fand... Wir erfahren in der Retrospektive einiges über das Leber der drei Protagonisten, die, jeder auf seine Weise, einen geliebten Menschen verloren haben.
AGATHA will MILLIE helfen, ihre Mum wieder zu finden und verlässt ihr Haus. KARL entdeckt MILLIE's Schild im Bus und reist ihnen nach... Zwischendurch geben sowohl Millie, Agatha als auch Karl ihre (zuweilen recht ulkigen, aber auch tiefgründigen) Gedanken zum Besten; Millie's "Spaziergedichte" zeugen auch von ihrer außergewöhnlichen (sprachlichen) Kreativität.
Während Karl und Agatha das tun, wovon sie in ihrem vorherigen Leben träumten, freundet sich Millie mit Jeremy (9) an, der ihnen auf seine Weise weiterhilft: Der Roman entwickelt sich zu einem rasanten und originellen Road-Movie, mit absolut liebenswerten, wenn auch sehr schrägen und skurrilen Charakteren..

Fazit:
Der Leser sollte sich auf den originellen Schreibstil der Autorin einlassen, dann wird das Buch eine Bereicherung darstellen: Im Original des Titels "Lost & Found" wird der Inhalt fast noch deutlicher beschrieben: Es geht in erster Linie um Verlust und Trauer, aber auch um deren Bewältigungsmöglichkeit dadurch, dass der Trauernde "aktiv" wird, das Leben nicht fortan ausschließt: Der Tenor des Romans lautet für mich demnach "Mach was draus" (Zitat).
Millie's, Karl's und Agatha's Reise zurück ins Leben, zutiefst menschlich, etwas neurotisch, aber stellenweise überaus komisch beschrieben, ist sehr berührend zu lesen und positiv; sie macht Mut und spricht für Aktivität - besonders und gerade in sehr traurigen Situationen, etwas dem Verlust eines geliebten Menschen durch den Tod. In der Danksagung der Autorin findet sich thematisch ein großer Verlust wieder, der auch in ihr Leben getreten ist. Für die schöne - und zutiefst menschliche - Reise der drei Protagonisten "zurück ins Leben" vergebe ich sehr gerne 4 Sterne am Firmament der Bücher und 89° auf der Belletristik-Couch sowie eine Leseempfehlung, da hier das Thema Tod auf etwas andere, humorvolle und originelle Weise enttabuisiert wird: Er gehört zum Leben dazu.