friesisch-herbe Abgründe

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marinheira Avatar

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Darum geht’s

Hollywoodflair in St. Peter-Ording: Die neue Staffel einer deutschen Krimiserie wird an den idyllischsten Flecken des Ortes gedreht. Die Verbrechen beschränken sich allerdings nicht aufs Drehbuch. Der Aufnahmeleiter wird tot aufgefunden und zeitgleich verschwindet eine der Hauptdarstellerinnen. Es gibt also viel Arbeit für Anna Wagner, Hendrik Norberg und ihr Team der Soko St. Peter-Ording.

Mein Leseerlebnis

Wie schon bei den ersten Bänden, beginnt der Lesegenuss mit dem Cover. Die Farbkombination, die Lichteffekte und das Motiv sind wunderschön und stimmen abermals auf einen spannenden Nordfriesland-Krimi ein. Das Titelbild des dritten Bandes ist für mich bislang das mit Abstand stimmungsvollste der Reihe.

Der Autorin gelingt es, mich auf wenigen Seiten nach St. Peter-Ording und in die Soko zurückzuholen. Wichtige Geschehnisse im Leben der Protagonist*innen werden aufgegriffen, sodass ich als Leserin sehr schnell an den Vorgängerband anknüpfen kann und wieder im Bilde bin. Der bodenständige und leichte Schreibstil lässt, trotz der grausigen Verbrechen, eine Wohlfühlatmosphäre entstehen und den Krimi zu einem Pageturner werden. Allerdings gibt es kaum Wortspiele, sprachliche Raffinessen oder besondere Gestaltungselemente. Der Schreibstil bleibt „norddeutsch-nüchtern“.

Auch die Protagonist*innen gewinnen nur sehr langsam an Tiefe. Zwar gibt es in diesem Band mehr Szenen, in denen sie ihre Ansichten und ihre Persönlichkeit zeigen, aber dennoch bleibt das Gefühl, sie nicht richtig kennengelernt zu haben. Dies trifft insbesondere auf Anna Wagner zu, deren bayerische Herkunft, bis auf ein paar Äußerungen im Dialekt, weiterhin gar nicht wichtig zu sein scheint. Hendrik Norberg kann ich mir eher als norddeutschen „Stoffel“ vorstellen, der nicht viel über sich erzählt und zurückhaltend ist. Gefreut hat mich auch, dass Nils Scheffler, das jüngste Mitglied im Soko-Team, in diesem Krimi ausführlich vorgestellt wurde.

Den kleinen Rückstand bei der Gestaltung der Protagonist*innen holt Svea Jensen um ein Vielfaches bei der Konstruktion des Kriminalfalls auf. Auch in diesem Band gibt es, selbst für geübte Krimileser*innen, einige Überraschungen und Wendungen. Es bleibt über viele Seiten spannend. Die Motive und Tathergänge sind nachvollziehbar, realistisch und immer menschlich. Die Autorin schafft es erneut, den/die Täter nicht als böse Macht oder Unmensch darzustellen, sondern beschreibt auf sehr empathische Weise wie es dazu kommen kann, dass Menschen Verbrechen begehen. Gleichzeitig verharmlost sie nicht das Leid der Opfer oder die Schwere des Vergehens. Wie auch in den ersten Bänden zeigt sich die Dramatik menschlicher Unvollkommenheit.

Nordfriesland im Sommer behagt mir definitiv mehr als im Winter (Band 2) und somit stellte sich das Fernweh-Krimi-Feeling schnell wieder ein. Gemeinsam mit dem Ermittlerteam gibt es wieder einige schöne (Tat-)Orte zu entdecken, die Lust auf einen Urlaub in St. Peter-Ording machen.

Fazit

NORDWESTNACHT ist ein Krimi, der zwischen Wohlfühl-Polizeigeschichte und bedrückenden Taten mit Thrillerpotential schwankt. Spannend, gut konstruiert und schnell weggelesen. Gerne mehr davon.

Der Krimi „Nordwestnacht“ von Svea Jensen ist am 22. März 2022 im Verlag HarperCollins erschienen. Es ist der dritte Band der Reihe um die Soko St. Peter-Ording. Ein herzliches Dankeschön geht an Vorablesen.de und den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.