Soll das ein Scherz sein?

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viv29 Avatar

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"Alles, was du als Frau über die Arbeitswelt wissen musst" - so lautet der Untertitel und das wäre als Thema sehr interessant. Nur leider mußte ich feststellen, daß es gar nicht um dieses Thema geht. Abgesehen davon, daß das Buch einfach nur eine Jammerorgie ist, geht es an der tatsächlichen Arbeitswelt und allgemeinen Realität völlig vorbei.

Schon auf der ersten Textseite ein Gendersternchen, dann kommen all diese künstlichen Begriffe wie Cis und FLINTA, reichlich Denglisch, denn die Cis-Frau ist auch noch ein Snowflake-Corporate-Millenial. Und natürlich darf "toxisch" nicht fehlen, das sich als Modewort für alles und jedes etabliert hat, genau wie einst "narzisstisch". Zum Ärger ernsthafter Psychologen und Psychiater übrigens, weil die Bedeutung der Begriffe damit erodiert wird.

Englische Kapitelüberschriften gehören natürlich auch zum Mix, denn hier möchte man ganz verkrampft total locker rüberkommen. Ein neuer Trend, der hoffentlich bald vorbeigeht, denn er ist äußerst albern. Das grauenvolle Titelbild paßt hier immerhin hervorragend zum Rest.

Die ersten Seiten sind dann reichlich Mi-mi-mi. Ich frage mich ja, wie es meinem Umfeld und mir - beruflich erfolgreiche Frauen in verschiedenen Bereichen - gelungen ist, diesen beruflichen Erfolg zu erreichen, wo doch anscheinend ein toxisches Patriarchat gegen uns kämpfte. Ach ja, wahrscheinlich, weil wir uns darauf konzentrierten, unsere Arbeit gut zu machen, teils eigene Unternehmen aufzubauen und wegen unserer Kompetenz geschätzt zu werden (und wir deshalb von Männern geschätzt werden, oft mehr als von Frauen). Ohne uns in cis und FLINTA und andere künstliche Gruppierungen einzusortieren und überall Gendersternchen in Texte zu werfen.

Dieses Buch befeuert das Suhlen in Selbstmitleid, zu dem nicht der geringste Anlass besteht, wenn man nicht so krampfhaft danach suchen würde. Inhaltlich ist es ebenfalls keine Freude. Zum einen wegen der Gendersternchen, zum anderen, weil die Ausdrucksweise sich ganz weit unten bewegt: "geben einen Scheiß", "rückgratloses Arschloch", "Bullshit", "Immer dann, wenn wir diese Worte von unserem aktuellen Love Interest in die DMs geballert bekommen" - das ist einfach ein lächerlicher Text. Hier wird so albern auf den "jung und hip"-Effekt geschrieben, daß man hofft, es sei eine Satire. Denn sollte es wirklich eine Mehrzahl Menschen geben, die sich durchweg so ausdrücken und ständig damit beschäftigt sind, sich beleidigt zu fühlen und eine Untergruppe für sich zu suchen, dann hat unsere Berufswelt tatsächlich Probleme.

Der Inhalt besteht - jedenfalls in der Leseprobe - aus einer weinerlichen und gleichzeitig rotzigen Tirade (pardon: einem "rant"), aufgepolstert mit den momentan gängigen Schlagwörtern. Bei Leuten, die sich so geben, liegt die mangelnde berufliche Anerkennung keineswegs am Geschlecht. Wer sich das aber gerne einreden lassen möchte, wird sich mit diesem Buch wohlfühlen und sich wahrscheinlich noch bestätigt fühlen, daß es natürlich nie an einem selbst liegt, wenn man beruflich nicht erfolgreich ist.