Eine Rückschau

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miro76 Avatar

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Ansel Packer wird sterben. In 12 Stunden wird dieses Leben ausgelöscht. Für manche wäre es besser gewesen, er hätte nie gelebt, den Ansel hat mehrere Frauen ermordet.

Wir begeleiten Ansel auf seinem letzen Weg und lernen ihn in diesen letzten Stunden kennen. Fast bis zum Schluss hofft er, seinem Schicksal entgehen zu können. Er schmiedet immer noch Pläne, obwohl er nur noch wenige Stunden hat, weil er nicht sterben möchte. Er möchte verstanden werden.

Doch die Frauen, deren Leben er genommen hat, wollten auch nicht sterben.

Dieses Szenario ist beklemmend, doch viel schwieriger fand ich die erste Rückschau. Wir lesen von Ansels Mutter und ihrem Leben auf einer abgeschiedenen Farm. In äußerst prekären Verhältnissen hat sie versucht Ansel großzuziehen. Doch mit den Jahren verschlimmert sich alles. Das Geld wird knapper, der Mann wird brutaler, der Hunger größer und es kommt ein zweites Kind. Die immer noch sehr junge Mutter sieht keinen Ausweg. Sie verlässt ihre Kinder und überlässt sie der Fürsorge.

Die nächste Rückschau kommt aus einer Pflegefamilie und ein Mädchen, das sich mit Ansel anfreunden möchte erzählt uns Episoden aus seiner Kindheit. Diese Mädchen wird ihn später verhaften, denn sie schafft den Absprung und wird Kommissarin.

Die dritte Rückschau kommt von der Zwillingsschwester seines letzten Opfers. Jenny lebte mehrere Jahre mit Ansel zusammen. Dass dies nicht die beste Entscheidung ihres Lebens war, wird schnell klar, denn Ansel ist manipulativ und völlig frei von Empathie. An seiner Seite verkümmert man. Es soll Jahre dauern, bis sie sich von ihm befreit.

Danya Kulkolka zeichnet mit diesem Roman ein Psychogramm eines Serienmörders. Das Bild setzt sich zusammen aus den Gedanken, die ihn in seinen letzten Stunden beschäftigen und den Erinnerungen von Frauen, die ihn auf seinem Weg begleiteten. Der Roman ist nicht ganz einfach zu verdauen. Gerade die ersten Kapitel fand ich extrem berührend, denn von Liebe und Luft kann man eben keine Kinder ernähren. Vom Trailerpark abgesprungen auf eine heruntergekommene Farm in der Einöde hat die Mutter keinen großen Sprung gemacht. Sie ist ganz klassisch vom Regen in die Traufe gefallen, musste das allerdings erst erkennen. Sie versucht Ansel eine gute Mutter zu sein und versucht, die guten Stunden hervorzuheben, doch sie muss sich irgendwann eingestehen, dass die rosarote Brille nicht hilft.

Mit Lavender kann ich nur Mitleid haben, denn ihr Leben ist von Anfang an verwirkt. Doch die anderen Frauen sind stark und gehen ihre Wege trotz Schwierigkeiten und Hemmnissen.

Diese Buch hat nicht richtig beeindruckt. Es ist beklemmend, wirkt lange nach und gibt wirklich zu denken. Es spielt mit Gut und Böse, verwischt die Grenzen und hält uns weinen Spiegel vor, was die Neugierde auf Sensationen anbelangt. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung!