Mehr als fesselnde Spannungsliteratur

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Dieser Roman mit dem Wahnsinnscover ist ohne Frage ein Stück fesselnder Spannungsliteratur. Aber er ist noch mehr. „Notizen zu einer Hinrichtung“ ist polarisierend, erzeugt bei mir Reibung, bringt mich zum Nachdenken.

Kukafka skizziert in ihrem Roman das Leben von Ansel Packer, einem Mörder, der im Todestrakt auf seine Hinrichtung wartet. Im Stil von Dead Man Walking zählt ein Countdown seine letzten Stunden bis zur Vollstreckung.
Dazwischen werden in Rückblicken die verschiedenen Lebensabschnitte von Packer an Hand von Mädchen und Frauen erzählt, die seinen Weg kreuzten und beeinflussten.
Angefangen bei seiner Mutter, die, selbst Opfer eines gewalttätigen Ehemannes und prekären Lebensumständen, ihn und seinen Bruder ganz früh verlassen hat. Kukafka legt deutlich dar, wie Packer bereits als Kind durch männliche Gewalt und das Verlassen werden traumatisiert wurde.

Auch wenn Kukafka keine einfachen Antworten auf die Frage nach dem Ursprung der Gewalt vorgibt, bedient sie sich doch öfters einiger Stereotypen und stellt sie gleichzeitig subtil in Frage. Das erzeugt die Reibung.

Packer ist als Figur so angelegt, dass Leser*innen Mitleid, ja fast Verständnis, für seine schrecklichen, unenschuldbaren Taten empfinden können. Das provoziert mich und weckt in mir Widerspruch.
Gleichzeitig macht Kukafka klar, dass Packer eine Wahl hatte, und sich für seine Taten entschieden hat und dafür auch verantwortlich ist.

“Manchmal bist du sicher, dass du nichts anderes bist als der flüchtige Moment zwischen Tun und Nichttun. Handeln oder Harren? Wo liegt der Unterschied? Wo ist die Wahl? Wo verläuft die Grenze zwischen Regung und Regungslosigkeit?”

Zweifellos beherrscht Kukafka die Klaviatur des unterhaltsamen Erzählens und auch wenn mir die emotionalen Beschreibungen und manipulativen Stilmittel manchmal eine Spur to much sind, kann ich mich der Faszination ihres Romans nicht entziehen.

Viele Mechanismen der Täter Rezeption, besonders wenn es um junge weibliche Opfer handelt, erkennt sie und benennt sie auch und verwendet sie gleichzeitig selbst.

“Da draußen existieren unzählige Männer, die Frauen gern Schmerzen zufügen würden, aber die Leute halten Ansel Packer für was Besonderes, weil er es getan hat.”

Alles in allem habe ich „Notizen zu einer Hinrichtung“ sehr gerne gelesen, es hat mich teilweise gezielt provoziert und mit seinem Schluss die volle Bandbreite eines emotionalen Epilogs ausgespielt.

Das war sehr gute Unterhaltung.