Sie ist, wer sie ansieht

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Inhalt
Ansel Packer hat nur noch wenige Stunden zu leben – der Mädchenmörder ist zum Tode verurteilt worden. Einen letzten verzweifelten Plan hat er: eine Flucht und das veröffentlichen seiner Theorie. Doch es sind die Frauen, die ihn umgeben, die von seinem – und ihrem – Leben erzählen. Lavender viel zu jung und in großer Armut seine Mutter geworden. Seine Frau Jenny und deren Zwillingsschwester Hazel. Saffra, die eine kurze Zeit seine Pflegeschwester war und nun als Ermittlerin bei der Polizei arbeitet. Und seine Nichte, die Einzige, die er in seinen letzten Minuten bei sich haben will. Sie alle erzählen.


Meinung
Es handelt sich nicht um einen (typischen) Thriller. Diese Geschichte wurde literarisch aufgearbeitet. Sie ist hervorragend und mit viel Tiefe geschrieben worden, wenn sie leider dennoch im Klischee verhaftet bleibt und keine neuen Aspekte hinzuzufügen vermag. Ansel begegnet dem Leser in der Du-Form und es ist klar, dass hier kein Happy End erwartet werden darf. Es mutet manchmal etwas seltsam an, dass alle Frauen erzählen dürfen, nicht aber die, die er in jungen Jahren getötet hat. Eine Tat, die nie hätte bewiesen werden können. Wenn nicht, ja wenn nicht die ehemalige Pflegeschwester, Saffra, ihm auf die Spur gekommen wäre. Sie, der er einst einen toten Fuchs als Rache ins Bett gelegt hat. Denn Hohn und Spott von einer Frau kann der Junge, der von seiner Mutter verlassen wurde, nicht ertragen. Er legt sich einige Obsessionen zu, doch auch Saffra hat ihre eigenen. Sie arbeitet sich bei der Polizei hoch, denn es ist eine weitere Pflegeschwester, die ermordet wurde, heiratet nie, kann keine Beziehung lange halten. Nur die zu Ansel; den sie heimlich beobachtet, Stunden im Auto vor seinem Haus verbringt, um ihn heimlich zu beobachten. Man muss sich fragen, was eigentlich der Unterschied zwischen ihnen ist. Und natürlich, was sie wohl ohne ihn tun wird – ein wenig erinnert das schon an „Moby Dick“ und vielleicht hat sich die Autorin das auch so gedacht. Schade war, dass auch Kukafka es herunterbricht auf das Kind, dem das Psychopathische bereits angeboren scheint und das aus einer armen Hinterwäldlerfamilie stammt (Armut ist keine Krankheit!). Die Mutter übernimmt nur ein einziges Mal Verantwortung und sei es, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Auch später, wenn sie versucht herauszufinden, was mit den Jungen passiert ist – da sind sie längst erwachsen – wird sie nichts unternehmen.
Ansel scheint nach den ersten drei Morden ein bodenständiges Leben zu führen, wenn ihn auch stets eine seltsame Aura umgibt. Jenny, seine Frau, scheint es lange nicht zu bemerken. Ihre Zwillingsschwester dagegen spürt es rasch, ist jedoch in ihrer eigenen Gefühlswelt gefangen, in der es viel um Eifersucht auf die Schwester geht. Bis sie sich mit ihrer Situation abfindet und ein neues Leben startet. Aber da scheint es fast zu spät für Jenny. Und ab hier hatte ich das Gefühl, dass die Autorin geglaubt hat, sie gehe zu nett mit Ansel um. Plötzlich wurde er zum „Verlierer“ stilisiert, der nichts auf die Reihe bekommt. An sich wäre das nicht so schlimm, wenn es nicht klischeehaft konstruiert wirken würde. Er bricht aus dem Blauen sein Studium ab, weil er sich über eine Professorin ärgert, schreibt heimlich an einer Art Manifest und arbeitet mit Holz. Da ist die Beziehung zu Jenny bereits toxisch geworden.
Erst als seine Nichte Kontakt sucht, scheint sich etwas zu ändern. Findet er hier das, was er sein Leben lang vermisst hat? Es scheint so. Sie wird bis zum Ende für ihn da sein. Lavender in ihrer Kommune bleibt seltsam entrückt, hat mit allem abgeschlossen.
Es liest sich sehr gut weg, wenn es leider nicht ganz bis zum Ende qualitativ durchhalten kann. Es ist reichlich Zeitgeist in die Geschichte geflossen, was leider verhindert hat, das Thema einmal wenn nicht neu, wenigstens anders aufzuarbeiten. Am Ende war mir subjektiv zu viel eigene Meinung der Autorin dabei.
„Notizen zu einer Hinrichtung“ kommt hervorragend konzipiert und ausdrucksstark daher. Die Idee, das weibliche Umfeld eines Mörders näher zu beleuchten, ist neu und weiß zu überzeugen. Leider bleibt es deswegen trotzdem im alten Schema gefangen. Nichtsdestotrotz hat Kukafka einen sehr lesenswerten Roman vorgelegt.