Bedrückende weird girl fiction

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katrriin Avatar

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Rosa kehrt aufgrund ihrer dementen Großmutter aus London zurück in ihre kleine Heimatstadt in Deutschland und wird dort von Erinnerungen an ihre Schulzeit und an die ihrer Mutter Leni heimgesucht. Sie versucht im Laufe des Romans vermeintliche Schlüsselmomente ihrer Schulzeit zu rekonstruieren und nachzuvollziehen. Dabei stößt sie immer wieder auf Unverständnis ihrer ehemaligen Schulkamerad:innen, Lehrer:innen und anderen Bezugspersonen, mit denen sie versucht Kontakt aufzunehmen. Vieles was für Rosa einen erheblichen Einfluss auf ihr Leben hatte, ist für ihre ehemaligen Freund:innen von keiner Relevanz mehr. Trotzdem hält sie an ihren trügerischen Erinnerungen fest, und lässt sich aus ihrer delusion nicht befreien. Immer wieder verschwimmen hier die Grenzen zwischen Realität, Einbildung und echten Erinnerungen. Daran, was sie nach der Schule eigentlich erlebt hat, kann sie sich kaum erinnern, dafür bleibt sie um so mehr in der Nostalgie hängen. Ihre Freundinnen hingegen haben ihr Leben weitergelebt, haben Haus und Kinder oder eine Karriere, und keine Zeit und Lust mit Rosa auf Spurensuche in der Vergangenheit zu gehen.

In Nowhere Heart Land passiert nicht viel und gleichzeitig hat es viel mit mir gemacht. Wir folgen die gesamte Zeit nur Rosas sehr verqueren Gedankengängen, ihrer Nostalgie und ihrem sehr eigensinnigen Verhalten. Zu Beginn des Buches war ich noch sehr überzeugt davon, dass das Buch zu einem Highlight werden könnte. Die Geschichte lässt sich zwar als „weird girl fiction“ einordnen, aber ich liebe solche besonderen Protagonistinnen immer sehr und konnte mich auch häufig in Rosa wiederfinden. Auch wenn ihre Gedanken teilweise wirklich sehr wirr sind, so hatte ich oft das Gefühl die Autorin hätte in meinen eigenen Kopf geschaut. Rosa erinnern selbst die kleinsten Details im Alltag an Momente aus ihrer Schulzeit auf dem Nützenberg, wobei die Erzählung nach keiner nachvollziehbaren Logik erfolgt und es dadurch sehr chaotisch wirkt. Auch ich kann wie Rosa bis heute meine Schulzeit nicht wirklich loslassen und versinke oft im Alltag in nostalgische Erinnerungen, auch wenn ich nicht wie sie ein von Nonnen geführtes Internat besucht habe. Da ich ein Interview der Autorin auf der Buchmesse mitbekommen habe, wusste ich schon vor der Lektüre, dass sie das Buch collagenartig und zunächst auch aus einer anderen Perspektive geschrieben hat, und diesen Eindruck hatte man auch beim Lesen. Was man allerdings positiv dabei bewerten kann, ist, dass (zumindest mir) keine Logikfehler aufgefallen sind, auch wenn das Buch immer wieder zeitliche Sprünge macht. Auch mochte ich die nostalgische Stimmung, die erschaffen wurde, wenn beispielsweise von dem Geruch nach „Tafelschwammstaub“, Window-Color oder VHS-Kassetten gesprochen wurde. Der Schreibstil war hier ein ganz besonderer, der mir sehr zugesagt hat.

Allerdings ist dieser zunächst positive Eindruck ungefähr bei der Hälfte des Buchs für mich gekippt. Es passiert nämlich einfach nichts und die Erzählung wird leider sehr repetitiv, was versucht wurde aufzubrechen, indem Rosa ein völlig abwegiges, sinnloses und absurdes Verhalten an den Tag legt, welches ich nicht länger nachvollziehen konnte. Ab einem gewissen Zeitpunkt hat mich das dann ehrlicherweise nur noch genervt. Auch fragte ich mich gegen Ende hin, was nun eigentlich der Sinn der Geschichte ist, und auch Rosa schien den Fokus verloren zu haben. Am Ende blieben viele Fragen offen, und die Auflösung wurde für mich sehr künstlich herbeigeführt. Zurück blieb bei mir ein sehr bedrückendes Gefühl und ich fühlte mich nach dem Buch viel schwerer als davor. Dadurch war das Buch für mich leider doch kein Highlight, was ich sehr schade finde, da mich das Cover, der Schreibstil und das Thema so sehr angesprochen hatten.