Ein Buch, das Fragen stellt – aber wenig beantwortet

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Emily Jeuckens wurde 1993 in Wuppertal geboren und studierte Germanistik, Romanistik und Kommunikation. Sie lebte mehrere Jahre in Großbritannien und Berlin, bevor sie nach Nordrhein-Westfalen zurückkehrte, wo sie heute in der Medienbranche arbeitet. 2022 gewann sie den Förderpreis der Wuppertaler Literatur Biennale. "Nowhere Heart Land" ist ihr Debütroman – ein introspektives Porträt einer jungen Frau, die sich gegen das Erwachsenwerden sträubt.

Worum geht’s genau?
Rosa, die Protagonistin, wacht mit einem blauen Auge in ihrer Heimatstadt auf – einem Ort, den sie eigentlich für immer hinter sich lassen wollte. Nach Jahren in London kehrt sie zurück und wird von Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter, ihr humanistisches Internat und Freundinnen, die sich von ihr abgewandt haben, eingeholt. Das Buch begleitet sie durch ziellose Tage, Gespräche und Begegnungen, während sie sich fragt, was eigentlich aus ihr werden soll.

Meine Meinung
Ich habe mit dem Buch leider nicht wirklich warmwerden können. Der Schreibstil ist anspruchsvoll, aber oft schwer zugänglich. Die Grenze zwischen Realität und Fantasie verschwimmt, sodass es mir schwerfiel, der Handlung durchgehend zu folgen. Das hat mich immer wieder aus der Geschichte herausgerissen.
Einige Szenen mochte ich jedoch sehr, etwa das Gespräch mit Leni in der Pizzeria, weil es einer der wenigen langen Dialoge war, die mir real und greifbar vorkamen - und generell ein Dialog. Das Buch liest sich ansonsten fast durchgehend wie ein innerer Monolog. Auch die Szene im IKEA war spannend, weil sie gezeigt hat, wie unberechenbar Rosa ist – ein Moment, in dem endlich mal eine Art Dynamik entstand.
Leider bleibt das Buch fast ausschließlich auf Rosa fokussiert. Ich hätte mir gewünscht, auch mehr über die anderen Figuren zu erfahren, um die Geschichte vielschichtiger zu gestalten. So bleibt vieles an der Oberfläche. Auch das Ende hat mich etwas unbefriedigt zurückgelassen, weil es mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat. Mit Rosa als Protagonistin hatte ich meine Schwierigkeiten. Ihr Verhalten wirkt oft selbstzerstörerisch, aber ohne dass es reflektiert wird. Der exzessive Alkohol- und Zigarettenkonsum hat mich mit der Zeit eher frustriert, weil er fast unkommentiert bleibt. Besonders die gesellschaftskritischen Themen – etwa Klassismus – kamen für mich zu kurz oder waren zu subtil. Dennoch mochte ich einige Zitate sehr, etwa: „Wie macht man das, andere Menschen an sich heranlassen und ihnen verzeihen, dass sie verschwinden werden?“ (Seite 254) – ein Satz, der die Angst vor Verlust wunderschön beschreibt. Auch der Bezug zu Social Media und der Leistungsgesellschaft wurde an manchen Stellen gut eingefangen, etwa: „Was ist man denn eigentlich, wenn man nichts tut und es nichts zu teilen gibt?“ (Seite 244)

Fazit
Nowhere Heart Land ist sprachlich ambitioniert, aber für mich schwer greifbar. Die Geschichte hat einige starke Momente, war mir insgesamt jedoch zu langatmig und einseitig auf Rosa fixiert. Trotz interessanter gesellschaftlicher Themen blieb mir vieles zu vage. 2 von 5 Sternen.