Verzeihen ist eines der größten Probleme

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wuschelchen99 Avatar

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Hannah Farr hat es eigentlich zu allerhand im Leben gebracht: Sie ist erfolgreiche TV-Moderatorin, ihr Freund ist Bürgermeisterkandidat und damit hat sie ein schönes Leben. Doch einiges passt nicht: Gerne möchte sie eine eigene Familie gründen, doch ihr Freund denkt gar nicht daran, ihr endlich einen Heiratsantrag zu machen und mit ihr Kinder zu bekommen. Es gibt zwar schon eine Tochter von Michael, ihrem Freund, doch diese ist in einem schwierigen Alter, was es für Hannah nicht leichter macht. Sie bekommt ein Jobangebot in einer anderen Stadt, das Hannah zu denken gibt. Aber der Brief einer ehemaligen Schulkameradin mit zwei kleinen Versöhnungssteinen wirft Hannah komplett aus der Bahn. Natürlich ist ihr klar, dass sie gern ihrer Mutter verzeihen möchte, doch ob sie das kann, ist fraglich. Und nun kommen nicht nur kleine Steine ins Rollen, sondern richtig große Brocken.

Lori Nelson Spielman hat mit „Nur einen Horizont entfernt“ einen Roman geschrieben, der natürlich immer mit dem Vorgängerbuch „Morgen kommt ein neuer Himmel“ verglichen wird. Doch ich denke, jedes Buch muss für sich betrachtet werden.

Der Einband ist sehr schön gestaltet. Sehr interessant ist der auf der ersten Innenseite abgedruckte Brief von Fiona an Hannah. So kann der Leser ihn leicht wieder finden und noch einmal nachlesen, um was es bei den Versöhnungssteinen geht und wie die Geschichte ins Rollen kam. Der Roman ist ansprechend leicht und flüssig zu lesen. Die Charaktere sind sehr unterschiedlich heraus gearbeitet und rufen sehr schnell Sympathien oder auch manchmal das Gegenteil hervor.

Die Grundidee der Geschichte, die Versöhnungssteine, ist sehr gut gewählt. Verzeihen ist eines der größten Probleme für viele Menschen, denn Verzeihen und Vergessen sind nicht das gleiche. Ich halte Verzeihen für eine der größten menschlichen Eigenschaften, denn es erfordert Güte und Menschlichkeit, dazu fähig zu sein. Die Protagonistin hat genau damit ein Problem, denn nie im Leben hat sie ihrer Mutter verziehen, dass sie sie einfach verlassen hat.

Der Autorin gelingt es mit vielen wahren und schönen Worten, den Leser zum Nachdenken zu animieren. Doch irgendwie scheint sie das ihrer Protagonistin manchmal nicht nahegebracht zu haben. Sie verstolpert sich in ihren Gedanken und ihr Verhalten ist manchmal nicht einer erwachsenen Frau würdig. Wie kann sie nur immer wieder so von einem Fettnäpfchen ins nächste springen? Mir als Leser ist oft schon im Voraus klar, was nun passiert, was der Spannung absolut nicht gut tut, wenn die Geschichte dann auch noch genau diesen Verlauf nimmt. Gut, einiges wendet sich zum Guten, doch wie kann am Ende eine offensichtlich wichtige Frage nicht geklärt sein? Und genau diese hat so extrem mit dem Grundthema, dem Verzeihen, zu tun. Der Leser hat die Wahl, das selbst zu beurteilen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder folgt eine Fortsetzung des Romans oder das Ende haut dem Fass den Boden raus und gilt als durchgefallen.

Ich bin hin und her gerissen, was dieses Buch angeht. Die Grundidee, dass ein kleiner Kieselstein so viel ins Rollen bringen kann, wie die Autorin selbst sagt, finde ich wunderschön. Auch ihr Schreibstil und wie mich das Thema selbst zum Nachdenken anregt ist genial. Doch wie voraussehbar die Protagonistin sich verhält und das böse „Loch“ am Ende, was nach längerem Überlegen sicher kein Cliffhanger ist, lassen von meiner ursprünglichen Begeisterung allerhand auf der Strecke liegen. Hier kann ich nicht mehr als 3 von 5 Punkten vergeben, wovon allerdings schon ein ganz dicker Punkt, eher 1,5, für die schöne Einbandgestaltung ist und damit nur maximal 1,5 Punkte für die Geschichte an sich übrig bleiben.