Zwischen Krieg, Wandel und Hoffnung: Ein Einblick in das bewegte Leben der Elisabeth Brugger

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
annnnnnna Avatar

Von

Elisabeth, geboren 1895 im Mühlviertel bei Linz, erlebte ein privilegiertes Leben in der Belle Époque, jener glanzvollen Ära, die mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs ihr jähes Ende fand. Diese Zeit, geprägt von kulturellem Aufschwung, künstlerischer Blüte und technologischem Fortschritt, war auch eine Phase des gesellschaftlichen Wandels, insbesondere für die Rolle der Frau. Elisabeths Leben führte sie während des Krieges als Lazarettschwester an die Front, später heiratete sie Georg, einen kriegsversehrten Arzt und begann ein Medizinstudium um sich ihren Traum zu erfüllen, als Ärztin zu arbeiten. Im Alter von 77 Jahren blickt sie zurück auf ein bewegtes Leben voller Höhen und Tiefen. Die Erzählung ihrer Lebensgeschichte, die sich an ihre Großnichte Christina richtet, ist anspruchsvoll und nicht chronologisch aufgebaut, was die Authentizität der Erinnerung widerspiegelt. Gedanken schweifen ab, Zeitsprünge sind groß, doch am Ende fügen sich alle Puzzleteile zu einem Ganzen. Elisabeth erzählt ihre Geschichte auf nüchterne, ehrliche Weise – so, wie es von einer Ärztin erwartet wird.

Das Cover zeigt Tom Roberts Gemälde „Going Home“ und zeigt zwei Menschen, die unter einem Regenschirm durch eine regnerische, dämmernde Straße gehen. Die dunklen, gedämpften Farben vermitteln eine ruhige, melancholische Stimmung. Der Lichtstreifen am Horizont symbolisiert Hoffnung am Ende eines schwierigen Tages. Ist für mich absolut stimmig gewählt. Das Gemälde betont den Zusammenhalt und die stille Solidarität in alltäglichen Momenten und fängt die Suche nach Trost und Geborgenheit ein. Genau das, was Elisabeth sich für ihr Leben gewünscht hat.

Judith W. Taschler ist es gelungen, der beeindruckenden und tragischen Geschichte der Familie Brugger, den beiden Weltkriegen und der Stellung der Frauen in jener Zeit den gebührenden Raum zu geben. Der Erzählstil ist gemächlich, unaufgeregt und präzise, was der Lebensgeschichte der 77-jährigen Protagonistin vollkommen entspricht.

Für mich bot der Roman einen faszinierenden Einblick in die damaligen Verhältnisse aus der Perspektive von Elisabeth Brugger. Doch der letzte Funke sprang leider nicht über. Dies könnte daran liegen, dass mir nicht bekannt war, dass „Über Carl reden wir morgen“ als erster Band der Geschichte vorausging.