Liebe ohne Kitsch

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kwinsu Avatar

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James kämpft als schwuler Teenager mit dem engen Korsett eines nordenglischen Dorfes. Nach seinem Outing zieht er sich zurück und macht sich selbst zum Außenseiter. Getragen durch seine Fantasie, ändert sich alles, als er den eigenwilligen und störrischen Luke kennenlernt. Mit ihm erlebt er das erste Mal, was es heißt zu lieben, auch wenn er nicht weiß, ob Luke seine Gefühle erwidert.

Ich kann nicht umher, "Öffnet sich der Himmel" als literarische Wucht zu bezeichnen. Seán Hewitt haucht seinem Protagonisten so viel Begehren, Unsicherheit, Verlangen, sozialisierten Anstand ein, dass ich mehrere Tage nach Beenden des Buches immer noch in James' Gefühlswelt gefangen bin. Der Autor erzählt die Geschichte ohne pathetisch zu sein und frei von jedem Kitsch, zudem ist es auch vollkommen egal, wem seine Liebe gilt, denn sie ist vollkommen. Zugegebenermaßen sind James' Gedanken und Reflexionen fast zu reif für einen Teenager, jedoch bettet Hewitt das Erzählte in eine Rückschau aus Erwachsenensicht - der nunmehr erwachsene James kehrt Jahre nach dem Geschehen in die Ortschaft zurück und schildert so das Jahr, das ihn für immer verändert hat - und wird somit authentisch.

Die Sprache des Erzählers ist dicht und eindringlich, oft habe ich beim Lesen vergessen zu atmen. Mitunter hat der Text seine Längen und das Fortkommen scheint zäh und langsam, allerdings sind die Worte so gesetzt, dass jedes Einzelne seinen treffsicheren Platz hat, nichts erscheint unnötig, um einen in die Gefühlswelt hineinzuversetzen. Andererseits beherrscht der Autor auch nachhaltige Bilder zu erzeugen, die wohl dauerhaft im Kopf verweilen werden. Ganz nebenbei, aber natürlich, wird auch das Thema Armut angesprochen und wie es sich auf das Leben eines Teenagers auswirkt.

Mein Fazit: "Öffnet sich der Himmel" ist ein beeindruckend authentisch erzählter Roman über die erste und prägendste Liebe, die all ihre Fassetten - von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt - durchspielt, ohne dabei kitschig zu sein. Den Protagonisten lernt man dabei so gut kennen, dass es fast schade ist, nicht mehr aus dem weiteren Verlauf seines Lebens zu erfahren. Die stellenweisen Längen sind nicht störend, sondern unterstreichen die Authentizität des Protagonisten - eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich in die Gefühlswelt eines Teenagers mitreißen lassen wollen.