Unblutig, aber psychologisch durchgehend spannend

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
allegra Avatar

Von

 

Inhalt: (Verlagsinfo)

Eine junge Frau verschwindet mitten in der Nacht – ohne jede Spur. Hübsch, blond, liebevolle Ehefrau und Mutter, Lehrerin, beliebt bei ihren Schülern.
Als Detective Sergeant Warren ihr Heim in der idyllischen Vorstadtsiedlung Bostons betritt, scheint der Fall klar: Intakte Schlösser, keine Spuren eines Kampfes oder Einbruchs – Sandra Jones hat ihre Familie verlassen. Die Medien stürzen sich auf den Fall. Schon bald sieht alles anders aus: Der Ehemann hütet ein Geheimnis, die Tochter hat vor irgendetwas Angst, Familienangehörige, Nachbarn, Bekannte verstricken sich in Widersprüche. Und auch Sandra Jones’ Fassade bröckelt.

Mein persönlicher Eindruck:

Der vorliegende „Thriller“ kommt entgegen meiner Erwartungen relativ unblutig daher. Lisa Gardner erzählt von Menschen, die auf Grund unterschiedlicher traumatischer Erlebnisse in ihrer Kindheit gezeichnet sind, und sich nichts mehr wünschen als „Normalität“ zu leben. Das gelingt ihnen unterschiedlich gut. Sandras Vater, der von seiner Ehefrau gedemütigt und gequält worden ist, gelingt es scheinbar locker trotz eines Mordes sein erfolgreiches Leben als Richter weiter zu leben. Aidan Brewster, ein Nachbar der Familie Jones hingegen, der mit 19 Jahren ein 14 jähriges Mädchen sexuell belästigt hatte, im Glauben, dass sie auch in ihn verliebt ist, hat sehr viel größere Probleme, weil er von der Justiz gleich behandelt wird, wie ein schwerer Sexualverbrecher. Sandra und Jason haben beide eine schwere Bürde zu tragen, sie haben ihre erlittenen Traumata nie therapeutisch aufgearbeitet, was sich sehr belastend auf ihr Leben auswirkt.
Ihre Beziehung ist überschattet von Misstrauen, es klappt nicht mit der körperlichen Liebe und sie versuchen auf unterschiedliche Weise damit fertig zu werden. Ihr einziger gemeinsamer Fixpunkt ist die bedingungslose Liebe zu der 4 jährigen Clarissa, genannt Ree.
Darum dreht sich dann auch ein großer Teil des Buches. Leider habe ich Ree gar nicht glaubhaft geschildert empfunden, sie erscheint im Buch an manchen Stellen eher wie ein 8 jähriges Mädchen.
Das Buch ist zum großen Teil aus der Sicht eines unbeteiligten Erzählers verfasst, teilweise aber auch aus der Sicht von Sandra in der Ich-Form gehalten. Dieser Wechsel hält die Spannung über die gesamten 540 Seiten von Anfang an konstant hoch. Als Leser erfährt man so immer mehr von der Vorgeschichte der Hauptfiguren. Es ist aber bis zuletzt nicht klar, wie sich der Fall auflösen wird. Leider driftet die Handlung auf den letzten 40 Seiten leicht ins Schnulzige ab. Man hat den Eindruck, die Autorin wurde erst angehalten, Seiten für einen dicken Schmöker zu füllen, um dann die Geschichte kurz vor Schluss doch  noch abzuklemmen. Die Verwicklungen im Internet fand ich sehr spannend zu lesen, und ich hätte mir da am Ende eine etwas ausführlichere Auflösung gewünscht.
Mein Hauptkritikpunkt richtet sich an den Verlag und betrifft das Erscheinungsbild des Buches. Ich finde es hat ein völlig liebloses Standard-Cover erhalten, das zu allem noch in sehr unvorteilhaften Farben gehalten ist. Vielleicht liegt mein Missfallen aber auch nur daran, dass ich es nicht mag, wenn mich Bücher anschauen. Was aber wirklich schade ist: Die einzelnen Kapitel im Buch beginnen mit einem Strich, der bis in den Schnitt ragt, so dass man zuerst meint man hätte einen Fehldruck erhalten oder das Buch wäre schmutzig geworden.
 

Mein Fazit:

Es handelt sich beim vorliegenden „Thriller“ nicht um ein Buch mit besonders hohem Anspruch, aber es bietet konstant gute, unblutige Unterhaltung. Abgesehen von ein paar kleineren Schwachpunkten, hat mir „Ohne jede Spur“ sehr gut gefallen. Ich habe damit einige unbeschwerte und unterhaltsame Stunden verbracht. Als leichte Urlaubslektüre würde ich das Buch durchaus empfehlen.
Ich würde ihm gerne 3,5 Sterne verleihen. Da das nicht geht, und mir meine anderen 4 Sternebücher doch deutlich besser gefallen haben, bleibt es bei 3 Sternen.