Ambivalent

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bea20 Avatar

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Das Lesen von „Ohne mich“ kann ich nicht unbedingt als kurzweiliges Vergnügen oder anregendes Gedankenfutter bezeichnen. Das Buch und seine Ich-Erzählerin haben mich in der Tat etwas herausgefordert; ich bin aber bis zum Schluss „drangeblieben“ und letztendlich froh darum.

Zu Beginn war ich häufig genervt von dem kindischen, unreifen, teilweise egozentrischen Verhalten der Mittzwanzigern, ihrer Oberflächlichkeit, der Flucht in Alkoholexzesse und Drogenkonsum. Belanglos und uninteressant fand ich zunächst die Erzählung der fertigen Jurastudentin, die zwischen lustlosem Referendariat und Einstieg ins Berufsleben, zwischen überstürzter Heirat und ebenso schneller wie sprachloser Trennung und Scheidung steht. Dann gewannen aber Mitgefühl und Respekt vor der teils grundehrlichen und schonungslosen Selbstreflexion der Hauptfigur die Oberhand. Mit viel Lakonie, Scharfzüngigkeit und Ironie beschreibt sie familiäre und berufliche Szenen, „hippe“ Partylocations, oberflächliche Freundschaften, ihr überprivilegiertes Leben und offenbart gleichzeitig Traurigkeit, innere Leere und die Sehnsucht nach Verbundenheit und einem treuen Seelengefährten.

Der Autorin ist mit dem Buch wohl ein authentisches Bild einer Generation gelungen, die alles (im Überfluss) hat – zumindest keine materiellen Sorgen -, aber dennoch Panik vor der Leere der inneren und äußeren Welt spürt und scheinbar mutlos resigniert. Ein flotter Schreibstil, oft witzige und wortgewandte Formulierungen sowie überraschend ehrliche, nachdenkliche und traurige Erkenntnisse der Protagonistin bleiben zum Schluss in Erinnerung.