Befindlichkeiten

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mike nelson Avatar

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Befindlichkeiten. Befindlichkeiten einer Generation - und eigentlich wollte Esther Schüttpelz ja, nach eigener Aussage, keinen Generationenroman schreiben. Ich hingegen denke - aus der Perspektive meiner Generation - es handelt sich sehr wohl um einen Generationenroman. Klar, die Story funktioniert: Jung verheiratet, dann doch getrennt... und was dann alles so passiert im Verlauf von circa einem Jahr. Fangen wir an mit dem Ende, welches einen kleinen Ausblick in die Zukunft der Ich-Erzählerin gewährt... die Hoffnung auf eine erneute Verbindung mit dem Ehemann nach der Zeit der Trennung. Und genau an diesem Ende bekommt die stets nur 'Ehemann' genannte Person dann doch einen Namen und ein Gesicht. Nach über einem Jahr der Trennung, von der die Protagonistin zum Selbstschutz glaubt, dass sie und nicht ihr Ehemann sie ausgesprochen habe. Über 200 Seiten hinweg Trennungsbefindlichkeiten und Luxusprobleme, ein Festhängen im 'Dazwischen', also einer Zeit der Suche, des Zweifels, des Hineingeworfenseins in eine Welt von Möglichkeiten, wo aber nichts so richtig das Richtige ist. Das Alte vorbei, das Neue noch nicht begonnen. Mit einem guten Schuss Selbstironie und dem scharfen Blick auf Umfeld und Gesellschaft, lässt uns die Autorin teilhaben am inneren und äußeren Erleben der namenlosen Protagonistin. Was den Roman durchzieht, ist ein Hauch von Perspektivlosigkeit; Perspektivlosigkeit verstanden als 'irgendwie ein wenig wissen, was man eigentlich nicht so recht möchte, aber deshalb noch lange nicht zu wissen, was man möchte': "Ich glaube, ich habe einfach keinen Bock, den ganzen Tag an irgendeinem Schreibtisch zu sitzen. Und ich will nicht vorgeschrieben bekommen, von wann bis wann ich wo zu sein habe und was ich in der Zeit tun soll.... Denn was einem vorher keiner sagt: Alle Wege führen an den Schreibtisch! Wer will da hin? Was soll das? Vor einen Computer. In die Computer-Körperhaltung. Die macht einen grau wie ein Büroteppich, macht, dass man sich drauflegen will auf den Büroteppich und tot spielen. Dass einen nichts mehr interessiert." Bei diesen Aussichten muss dann ja zumindest das Private funktionieren. Durchaus lesenswert.