Temporeich und mitten aus dem Leben

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dany_87 Avatar

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„Ohne mich“ ist der erste Roman von Esther Schüttpelz, die ein abgeschlossenes Jurastudium hat und als Rechtsanwältin arbeitet. Außerdem schreibt die in Berlin lebende Autorin eigene Songs.
Der Roman ist bei Diogenes erschienen und umfasst 206 Seiten.

In dem Buch begleiten wir für einen Zeitraum von einem Jahr die junge, namenlose Protagonistin, die in Münster lebt und Jura studiert. Sie befindet sich gerade in der Zeit vor dem zweiten Staatsexamen. Sie ist klug, feministisch, trinkt streckenweise zu viel Wein, lässt sich treiben („Es geht darum da zu sein!“ S. 100) und hat sich gerade von ihrem Ehemann getrennt.

In dem Buch geht es um Gefühle, um Zugehörigkeitsgefühle, Freundschaften, die Frage nach dem Sinn des Lebens, was man mit seinem Leben anfangen will oder eben auch nicht. Wie man sich seine Zukunft vorstellt und ob man die richtigen Entscheidungen getroffen hat und treffen wird.

Besonders besticht das Buch durch eine schnelle, moderne Sprache. Typische Phrasen, die man im Alltag benutzt und auch schon von seinen Eltern übernommen hat, sind in Großbuchstaben geschrieben. Sie werden als ironisches Stilmittel genutzt um Situationen einzuordnen und zu bewerten. Das Buch entwickelt ein hohes Lesetempo und hat keine Längen.

Ich finde der Autorin ist es gelungen einen sehr lebendigen, zeitgemäßen und authentischen Eindruck von diesem typischen Lebensabschnitt in den Zwanzigern zu beschreiben. Ich habe mich auch häufig selbst wiedererkannt. Mit der Protagonistin geht sie nicht sanft um, sie lässt sie scheitern, nicht immer gut dastehen, sie ist streckenweise sehr zynisch, aber als Leser kann man sich immer gut in sie hineinversetzen, versteht ihre Gedanken und ihr Handeln. Gerade hinsichtlich der Gefühle kommt der Roman sehr ehrlich bei mir an, denn Gefühle sind nicht geradlinig. Auch die viele zeitgemäßen Aspekte, die in die laufende Handlung eingestrickt sind (Klimawandel, Feminismus, Seenotrettung, etc.), haben mir gefallen und machten das Buch so für mich noch authentischer. Ganz klare Leseempfehlung von mir; habe lange nicht mehr einen so lebensnahen Roman gelesen.