WELTSCHMERZ

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Sie ist Ende zwanzig und schlittert durch’s Leben. Sie ist irgendwie in eine Ehe hineingeraten und irgendwie ist diese Ehe dann auch gescheitert. Sie ist am Ende ihres Jurastudiums, aber so Ernst nimmt sie das eigentlich auch nicht. Stattdessen hängt sie lieber in Clubs rum und betrinkt sich. Überhaupt geht es ziemlich viel um Alkohol in Esther Schüttpelz’ Roman „Ohne mich“. Und darum, wie man weitermacht, wenn die ersten Schritte als ERWACHSENE Person gescheitert sind. Ich habe mich an dieser Stelle auch gleich mal an einem Stilmittel versucht, das im Buch sehr häufig genutzt wird. Die namenlose Protagonistin erzählt ihr Leben und ihre Gedanken nämlich aus der Ich-Perspektive und wenn sie etwas besonders betonen möchte, dann schreibt sie es GROSS. Anfangs ist es mir nicht ganz leicht gefallen, mich auf die Protagonistin einzulassen. Ihr Tonfall ist zynisch und unterhaltsam, aber ihre Blickweise auf das Leben, eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Zerrissenheit, hat mich irritiert. Im Laufe der Geschichte ist sie mir jedoch ans Herz gewachsen. Man könnte sagen, ich habe Gefühle für sie entwickelt und sie selbst hat sich ebenfalls stark weiterentwickelt. Auf überraschend wenigen Seiten begleitet man ihr Leben einige Monate lang, sieht ihr beim Scheitern und Wachsen zu, beim Verwinden dieser flüchtigen und brüchigen Ehe. Außerdem gibt es auf den letzten Seiten eine Auflösung, die meinen Blick auf die Protagonistin und ihr zuvor gezeigtes Verhalten verändert und abgerundet hat. Obwohl man über die Menschen in ihrem Umfeld wenig Tiefergehendes erfährt, wirken sie in ihren manchmal fast an Schablonen erinnernden Positionen seltsam realistisch auf mich.
Ich habe in einer früheren Rezension über das Subgenre „Sad Girl Literature“ gesprochen. „Ohne mich“ ist das zweite Buch einer deutschsprachigen Autorin, das ich gelesen habe, und dort eingruppieren würde. Es war witzig, es war traurig, es hatte Weltschmerz und auch ein bisschen Trash. Es hat mir sehr gut gefallen.