Wenn die Gen Z erwachsen werden muss

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evaczyk Avatar

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Für eine Coming of Age Geschichte ist die namenlose Ich-Erzählerin aus "Ohne mich" von Esther Schüttpelz mit Mitte 20 bereits zu alt. Das Studium der Rechtswissenschaften steht vor dem Abschluss, die kurze, eher spontan eingegangene Ehe ist sehr schnell gescheitert. Die Protagonistin hadert mit ihrem Leben, kifft, kokst, feiert und geht die praktische Arbeit im Referendariat eher entspannt an. Das Leben muss nicht zu ernst genommen werden. Im Zweifelsfall geht es zur Herkunftsfamilie und lässt sich von Mama aufpäppeln, weil das Verwaltungspraktikum langweilig ist und man sich lieber krank meldet.

Ich gebe zu - mit diesem Buch und seiner Protagonistin wurde ich einfach nicht warm. Vermutlich gehöre ich auch nicht zur Zielgruppe, vielleicht ist es für Gen Z-Leserinnen eine Offenbarung. Ich sah da nur die Luxusprobleme unreifer Bürgerskinder, die nie um etwas kämpfen mussten - außer vielleicht um die Beziehung, aber auch da schien die Protagonistin nicht so wirklich zu wissen, was sie eigentlich wollte.

Ja, Erwachsen werden ist schwer. Für eine Menge Menschen beginnt dieser Prozess deutlich früher und ist wesentlich härter. Ich muss Buchfiguren nicht sympathisch finden, aber ich will sie interessant haben, und hier plätscherten Handlung, Persönlichkeitsentwicklung, Innensichten irgendwie vor sich hin. Meine Motivation, die Hauptfigur näher kennenzulernen, ist beim Lesen nicht gestiegen. Immerhin habe ich erkannt, dass sie eine Vorliebe für Kleidung mit Raubtierprint hat, stammte wohl noch aus der Femme fatale Phase.

Von den Figuren dieses Buches auf die Gen Z zu schließen, wäre jetzt natürlich unfair und gemein. Zum Glück gibt viele junge Menschen dieser Altersgruppe, die sich für das Klima, Gendergerechtigkeit oder Nachhaltigkeit engagieren. Wenn sie so tun, als seien sie die ersten, die diese Themen entdeckt haben, ist das zwar manchmal ein wenig nervig, aber sie plätschern nicht in gleichgültiger Beliebigkeit dahin.

Am Ende des Buches habe ich mich gefragt, was die Autorin eigentlich mitteilen wollte. Sinn- und Orientierungssuche? Die Schwierigkeit des Loslassens? Langer Weg zu mehr Selbsterkenntnis? Hier ist eine junge Frau, die irgendwie für überhaupt nichts zu brennen scheint. Und das finde ich schade.