Zu viel Gen Z-Geschwafel, zu wenig Tiefe

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fraedherike Avatar

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„Das Geräusch vom sich in der Tür drehenden Schlüssel klingt nach Heimat, aber hinter der Tür wartet – nichts. ‚Hallo, Bebi‘, rufe ich, obwohl ich weiß, was dann passiert, nämlich nichts, du ich fange an zu heulen, heule wie ein selbstmitleidiger Teenager, schaue mir dabei im Spiegel zu, es ist nicht schön, und dann höre ich damit auf.“ (S. 5)

Die leere Wohnung erinnert mich immer wieder daran, was passiert ist, an die SITUATION, über die wir nicht sprechen, oder eher, zu der meine Familie sich nicht traut, Fragen zu stellen, denn sie wissen, wie ich darauf reagiere. Bald ist Weihnachten, alle sind so unglaublich HAPPY, fröhliches Beisammensein MY ASS, das erste Weihnachten nachdem der Ehemann weg ist, und ich bin alleine und warum ist diese Wohnung eigentlich so unordentlich, warum putzt denn niemand WERMACHTDENNSOWAS? Ich brauche Ablenkung, tanzen, trinken, den KOPF FREI BEKOMMEN, abstürzen, küssen. Kater am Morgen, oh hallo, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Ich gehe jetzt auch oft spazieren, ENTSCHLEUNIGUNG nennt man das, oder Bouldern, wobei Laura meint, dass Yoga ganz toll sein soll, um SICH SELBST ZU FINDEN. Ein Yoga-Retreat, wäre das nichts? Erstmal muss ich aber das Referendariat schaffen, aber in Aschaffenburg ist alles grau und irgendwann stehe ich nicht mehr auf, ich bleibe einfach liegen und schaue an die Wand. Hilft bei Traurigkeit nicht Bewegung, denke ich mir, langsam und ACHTSAM, los, Körper, richte dich auf! Ach scheiße, ey. Alleinsein ist aber auch nicht so fein, aber bei meinen Eltern – hab‘ es irgendwie ins Auto geschafft – geht das Gefühl nicht weg. War vielleicht alles ein bisschen viel in letzter Zeit, sagt Mama. Und dass ich mir Hilfe nehmen solle, wenn ich sie brauche. Muss wieder an den Abend denken, als der Ehemann das letzte Mal nach Hause kam und weine.

„Zusammenreißen – das würde ich nie jemandem raten, und ich drücke auch immer auf ‚gefällt mir‘, wenn irgendwo gepostet wird, dass wir alle ganz lieb zu uns selbst sein sollen. Ja, alle anderen sollen sich selbst ganz lieb haben. Die können sich ja wahrscheinlich auch nicht so gut zusammenreißen wie ich. Vielleicht können sie sich auch besser lieb haben.“ (S. 71)

Ein beliebter Move sind ja immer diese CHALLENGES, Bücher in drei Wörtern oder einem Satz zu beschreiben, so here you go: Ein ironisch-überdrehter Herzschmerz-und-Trennungs-Roman mit bemüht hipper Gen-Z-Protagonistin, die zwischen Alkohol, Achtsamkeit und Arbeit versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Aber wer mich kennt, weiß, dass das mit dem Kurzfassen, naja... Kurz, lakonisch – das kann jedenfalls Esther Schüttpelz.