Lenja geht ins Seniorenheim

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adel69 Avatar

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Dank vorablesen.de durfte ich folgendes E-Book lesen:

==Ohne Ziel ist der Weg auch egal==

von Michaela Grünig.

Wie mir das E-Book gefallen hat, zeigt folgender Bericht.

==Die Handlung: ==

Die Ich-Erzählerin Lenja Schätzing ist von ihrem Freund Ben verlassen worden. Er will lieber bei "Ärzte ohne Grenzen" im Ausland tätig sein, anstatt bei ihr in Deutschland zu bleiben.
Eigentlich ist Lenja Drehbuchschreiberin für berühmte Fernsehserien und Showformate. Eine davon ist "Abgefahren", die von Tim produziert wird. Er ist reich und wohlhabend geworden - aber im Moment will sein Chef und auch sein Sender Ideen für neue Fernsehserien. "Abgefahren" verliert Quoten und droht, abgesetzt zu werden.
Darüber hinaus will Lenja für die kommenden Wochen erst einmal andere Pläne vorrangig verfolgen. Ihr Ex-Freund Ben ist ihr wichtiger. Sie will ihn zurückgewinnen. Sie weiß, dass er die kommenden zwei Wochen mit seiner Großmutter im Seniorenheim "Schloss Winterfreude" verbringen will, bevor er zu seiner Arbeit bei "Ärzte ohne Grenzen" in Nicaragua antritt.
Lenja lässt sich von ihrer Freundin Beate zu einer älteren Frau herrichten - mit Schminke, einer anderen Frisur und seniorengerechter Kleidung. Lenja will unter dem Namen Karla Meyer, pensionierte Kunsthändlerin im Alter von 76 Jahren, in dieses Seniorenheim ziehen.
Ob die Verkleidung gelungen ist, testet Lenja, als sie sich mit Tim in einem Café treffen will. Tim erkennt sie tatsächlich in ihrer Verkleidung nicht. Das ist nur ein Zeichen für Lenja, sich im Seniorenheim "Schloss Winterfreude" vorübergehend als Bewohnerin aufnehmen lassen zu können. Sie erzählt Tim, was sie vor hat. Er ist entsetzt, aber sie verspricht ihm, vom Seniorenheim aus an den Drehbüchern, die sie ihm versprochen hat, zu arbeiten.
Bevor Lenja sich ins Seniorenheim aufnehmen lässt, übt sie mit Beate, wie man als Seniorin richtig geht, wie man sich richtig benimmt - und vieles, was eine Seniorin authentisch macht.
Im Seniorenheim erlebt Lenja kein ruhiges Leben. Krankenpfleger Andreas will ihr Blut abnehmen - aber sie weigert sich, weil er dadurch leicht entdecken könnte, dass sie eine junge Frau ist. Außerdem erfährt Tim von einem Privatdetektiv, dass zwei Frauen auf übelste Art und Weise verletzt wurden - die Polizei die Suche nach dem Täter aber auf Eis gelegt hat. Eine Spur zu dem der den Tätern führt ins Seniorenheim "Schloss Winterfreude".
Lenja als Karla Meyer ärgert sich über Ben, der in der neuen Schwester Simone eine "neue Liebschaft" gefunden zu haben scheint. Lenja versucht, Bens Herz wieder zu gewinnen, indem sie vorschlägt, doch eine Art "Buchclub", in dem Bücher besprochen werden, ins Leben zu rufen. Außerdem nützt sie jede Gelegenheit, in Bens Nähe sein zu können - sei es beim Abendessen oder beim Tanzen.
Tim tut sich in der Zwischenzeit mit Beate zusammen - und beide versuchen, mehr über die Person zu erfahren, die im Seniorenheim Personen mit Botox entstellt...

==Meine Leseerfahrung:==

Die Idee der Autorin, das Buch mit einem Bungee-Jumping-Sprung beginnen zu lassen, der zuerst wie ein Selbstmord aussieht, hat etwas seltsam Ironisches. Beim Lesen der ersten Seiten war ich tatsächlich der Meinung, die Hauptprotagonistin Lenja wolle sich umbringen. Als ich von ihrer Freundin und "Schaulustigen" las, dachte ich: "Was sind das nur für Leute, die eine selbstmordgefährdete Frau dazu anstiften, sich das Leben zu nehmen? Sie sollten die Frau eher vom Sprung abhalten, anstatt sie noch dazu zu animieren!"
Bald wurde mir klar: Diese Leute wollen keinen Selbstmord - sie wollen, dass Lenja endlich den Bungee-Jumping-Sprung wagt und nicht lange an dieser Brücke herumsteht.
Witzig - denke ich, als ich die letzten Sätze des Kapitels lese. Und ich bin gespannt auf Lenjas Idee, mein Leseinteresse ist also geweckt. Ich erwarte eine nette, amüsante Lektüre für zwischendurch.

Dass sie in einem Seniorenheim wohnen will, um ihren Ex-Freund zurückzugewinnen, finde ich ungewöhnlich. Ist es ein Mann tatsächlich wert, dass man so viel Aufwand seinetwegen treibt? Ich bin nicht überzeugt davon! Warum heiratet diese sympathische Hauptprotagonistin Lenja nicht Tim? Er gibt sich mit lauter oberflächlichen Frauen ab, die nur sein Geld wohnen - dabei könnte er doch einfach mit Lenja, die sich auch privat gut mit ihm versteht, glücklich werden!
Von Ben wird lange Zeit nur geredet - er tritt als Figur erst spät in Erscheinung. Dabei geht es mir oft auf die Nerven, wie Lenja Ben anschmachtet - sowohl in Gedanken, als auch in Wirklichkeit. Wie sie in ihn verknallt ist. Dabei scheint er sich keinen Deut für sie zu interessieren. Als sie im Seniorenheim ist, läuft er bereits der neuen Schwester Simone hinterher.
In der weiteren Lektüre tritt auch mehr und mehr zutage, was Ben von seiner "Verflossenen" - also Lenja - hält. Aber sie gibt nicht auf. Sie versucht, sein Herz zurückzuerobern. Arme Lenja, sie ist komplett liebeskrank. Dabei sieht sie nicht, dass es bessere Männer gibt in ihrem Umfeld - Tim zum Beispiel, der sich wirklich Sorgen macht um Lenja. Er und Lenjas Freundin Beate werden mir während der Lektüre des Buches immer sympathischer. Beate ist eine tolle, zielstrebige Frau, die keine Angst hat und auch Dinge wagt, die im Endeffekt richtig sind.
Lenja gefiel mir zu Anfang - aber immer dann, wenn ihre übertriebene Liebe zu Ben im Buch zutage tritt, könnte ich sie schütteln...
Was mir weiterhin nicht gefällt, ist, dass die Handlung zu konstruiert wirkt. Eine junge Frau geht freiwillig in ein Seniorenheim, um dort zu wohnen - obwohl sie dort nicht arbeitet. So etwas gibt es normalerweise nicht, so etwas tut kein Mensch. Auch nicht aus Liebeskummer. Das ist doch abstrus!
Und ausgerechnet in diesem Heim springt vielleicht ein Täter herum, der junge Mädchen mit Botox so verunstaltet, dass sie eine Behandlung im Krankenhaus vor sich haben. Ein Täter, der vielleicht auch vor einem Mord nicht zurückschreckt. Wo gibt es denn so etwas? Dieser Handlungsverlauf erschien mir dann oft zu überzogen.
Weiterhin ist mir die Handlung an vielen Stellen zu detailliert. So lese ich in aller Ausführlichkeit, wie sich Lenja in ihrem Seniorenzimmer die Maske, die sie zu Karla macht, abzieht - und wieder Lenja sein darf. So genau muss ich das nicht lesen.
Auch wenn ich das Buch an manchen Stellen zu ausführlich fand, gab es wieder einige Kapitel, die ich gerne gelesen habe und die mich mit dem Buch etwas versöhnt haben. Interessant fand ich es zum Beispiel zu lesen, wie ein Seniorenheim eingerichtet ist, wo das Personal in einem Seniorenheim wohnt und wie der Tagesablauf in einem Seniorenheim gestaltet ist. Das Seniorenheim scheint sehr schick zu sein - dafür sprechen beispielsweise die Goldrandteller, die mit Damasttischdecken und Goldrandgeschirr gedeckt sind. Und auch die Tatsache, dass Lenja für einen Monat Aufenthalt 12.000 Euro an dieses Seniorenheim bezahlte.

Ich habe lange geschwankt, ob ich dem Buch zwei oder drei Sterne geben soll. Der für mich unerwartete - aber auch plausible - Schluss versöhnt mich etwas mit dem Buch, mir gefällt der Schluss also - deswegen Daumen hoch und drei Sterne!

==Schreibstil==
Der Roman wird vorwiegend aus der Ich-Perspektive in der Vergangenheit (Imperfekt) erzählt. Wegen der vielen Dialoge ist das Buch leicht zu lesen.
Der Schreibstil ist einfach und ausschmückend. Die Sätze erinnern mich an diverse Schulaufsätze, ich bekomme hier also keine anspruchsvolle Literatur.

Immer wieder tauchen Kapitel aus der Perspektive des auktorialen Erzählers auf. Also kein Ich-Erzähler. Hier werden die Ereignisse beispielsweise aus der Sicht von Tim erzählt. Er hat eine kumpelhafte Beziehung zu Lenja. Sie sind befreundet, aber nicht verliebt. Und diese Freundschaft schweißt sie neben der Arbeit noch zusammen.
Aufgefallen sind mir noch viele neumodische, aus der Umgangssprache stammenden Wörter - beispielsweise "echt", "Schrott" (als Wort für eine Fernsehsendung, die nicht anspruchsvoll ist, aber dennoch hohe Einschaltquoten erzielen kann) und "rattenscharf".


==Fazit==
Das Buch "Ohne Ziel ist der Weg auch egal" ist leichte Lektüre - ein Buch, das man durchaus auch als Vorlage für einen Fernsehfilm nehmen könnte, der gut unterhält, aber nicht herausragend ist.
Der einfache und doch sehr ausführliche Schreibstil in dem Buch geht mir oft auf den Wecker - auch die Tatsache, wie Ben von Lenja angeschmachtet wird. Das fällt mir auf die Nerven.
Weiterhin finde ich das Buch an vielen Stellen zu konstruiert, zu sehr an den Haaren herbeigezogen.
Der Schluss war für mich nicht vorhersehbar - aber ich finde ihn gelungen. Deswegen gebe ich dem Buch drei Sterne und empfehle es Leuten weiter, die leicht zu lesende Romane mögen.

P.S.: In ähnlicher Form wird diese Rezension noch auf weiteren Plattformen meiner Wahl erscheinen, beispielsweise bei Ciao.de - da schreibe ich als "Sydneysider47". Oder auch bei Amazon.de - dort schreibe ich Rezensionen als "Irina Melbourne".