Moderne, unverbrauchte Liebesgeschichte, bei der mir der letzte Funke gefehlt hat.

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buecher.berge Avatar

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»Ein Fehler im Raum-Zeit-Kontinuum. Und plötzlich bin ich achtundzwanzig.«

Mit 18 besucht die Schwedin Sam ihre Cousine in London. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Sam verliebt sich in London und verknallt sich in Lucas, den sie auf einer Party kennenlernt. Lucas, ebenfalls 18, studiert Umweltingenieurswesen und will eines Tages die Welt verbessern. Sein Enthusiasmus, sein Idealismus und seine Art ziehen Sam an. Doch für Sam geht es zurück nach Stockholm und so endet ihre Geschichte, bevor sie richtig begonnen hat. Zehn Jahre später kehrt Sam mit 28 Jahren und Bachelor sowie Master im Marketing für ein Praktikum in einer renommierten Marketingagentur nach London zurück. Ein Sommer voller Möglichkeiten, der verheißungsvoll auf sie wartet. Es ist Zufall oder Schicksal, dass Sam auf einer Party Lucas wiedertrifft. Mit zehn Jahren Verzögerung und Gefühlen, die nie ganz verflogen sind, stürzen sich die beiden in diesem Sommer in eine leidenschaftliche, intensive Affäre. Eine Beziehung, die beide voll auskosten, ein Sommer der Extreme, des Sich-gehen-lassens, exzessive Partys, alkoholdurchtränkte Nächte, heißer, gieriger Sex, ehrliche, tiefe Gespräche. Ein Leben im Moment und für den Moment, ein letzter freier, losgelöster Sommer vor dem Erwachsenwerden, geschenkte und geliehene Zeit – wissen doch beide, dass die Uhr tickt und Sam am Ende des Sommers nach Stockholm zurückkehren muss. Ein Abschied, der beiden das Herz brechen wird. Ein Sommer, über den beide nie hinwegkommen. Zwei Gegensätze, die sich immer und wieder anziehen.

»Zwischen uns läuft nicht alles reibungslos, manchmal tun wir einander weh. Es ändert nicht. Ich will sie trotzdem.«

Ich habe eine Schwäche für moderne, frische und realistische Liebesgeschichten, weil sie eben nicht nur Liebesgeschichten sind, sondern viel mehr. Auch »Okaye Tage« bietet fernab der Lovestory zwischen Sam und Luc noch so viel mehr: Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über das Feststecken Ende der 20er zwischen Jugend und dem, was danach kommen könnte/sollte/erwartet wird, über Selbstfindung, über den (schwierigen) Einstieg in die Berufswelt. Über Absagen auf Bewerbungen, unbezahlte Praktika, Idealismus vs. Kapitalismus, miese Jobs, problematische Arbeitsumgebungen, die Schwierigkeit, einen Kompromiss zu finden aus einer Arbeit, die es ermöglicht, das Leben in einer Großstadt zu bezahlen und bei der man abends trotzdem noch in den Spiegel schauen kann und möchte. Eine Geschichte über zu viele Gefühle, über die richtigen Gefühle zur falschen Zeit (oder andersrum), über das Betäuben von Gefühlen durch Alkohol, Partys, Drogen. Es ist die Geschichte von Sam und Luc, erzählt ohne Pathos, erzählt aus dem Leben, realistisch erzählt. In den kapitelweise wechselnden Perspektiven lernen wir beide kennen, miteinander und einzeln. Zwei unterschiedliche Menschen, in so gut wie jeder Hinsicht außer eben, dass ihre Herzen mit einer Leidenschaft für einander brennen, die bemerkenswert ist im Leben und selten. Ich mochte Sam und Luc, auch dann, wenn sie mich furchtbar aufgeregt haben. Mit ebenfalls 28 Jahren habe ich mich in vielerlei Hinsicht wiedergefunden in ihrer Gefühls- und Lebenswelt. Und dennoch, leider, ärgerlicherweise, ist der Funke bei mir beim Lesen nicht ganz übergesprungen. Ich kann es nicht so recht in Worte fassen, warum und wieso. Es fehlte mir vielleicht einfach ein wenig an Tempo, ich habe auf etwas Unbestimmtes gewartet, auf einen Knackpunkt, einen Wendepunkt, der ausblieb – vielleicht auch irregeleitet durch den nach unten zählenden Countdown zu Beginn der Kapitel. Und das finde ich so schade, denn an und für sich ist »Okaye Tage« absolut okay, ein schönes, leichtes Buch über zwei Menschen, die sich finden und verlieren und aneinander hängen bleiben. Eine lockere und moderne Geschichte über die Aufs und Abs einer Beziehung und des Lebens und die verlaufen eben nur selten spektakulär, sondern meist ganz alltäglich. Obwohl ich mir ein wenig mehr erhofft hatte, hoffe ich nichtsdestotrotz auf baldigen Nachschub von Mustard, denn mit ihrem frischen, jungen Schreibstil (in ganz hervorragender deutscher Übersetzung) hat sie mich trotz teilweise fehlendem Tempo der Handlung sehr angenehm und schnell durch den Roman getragen und mir Lust gemacht auf mehr.

» ›Aber selbst wenn miese Zeiten auf uns zukommen‹, sage ich, ›sind mir zwei miese Jahre mit dir lieber als zwei okaye Jahre ohne dich.‹ «