Abschied und Neubeginn

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
bobbi Avatar

Von

Die Autorin Yuko Kuhn taucht in ihrem lesenswerten Debüt „Onigiri“ tief in eine deutsch-japanische Familiengeschichte ein, die feinfühlig und bewegend aufzeigt, wie sich Heimat zerrissen zwischen zwei Kulturen anfühlt und die eigene Lebensgeschichte besser verstanden werden kann.

Akis Mutter Keiko ist an Demenz erkrankt – als sie vor vielen Jahrzehnten Japan hinter sich gelassen hat und ihre deutsche Liebe geheiratet hat, ist Stück für Stück die Lebensfreude von ihr gewichen. Nicht wirklich anerkannt von ihren reichen Schwiegereltern, hat sich ein Schleier über sie gelegt und am liebsten versteckt sie sich heute hinter ihren Händen. Als die Großmutter Yasuku stirbt, besorgt Aki zwei Flugtickets nach Japan – ein riskantes Vorgehen, mit der demenzkranken Mutter zu verreisen, doch nach Anfangsschwierigkeiten blühen in Keiko vergrabene Freuden wieder auf und Aki erkennt weitere Facetten ihrer Mutter. Zusammen mit ihrem Onkel können Mutter und Tochter zudem ihre eigene Familiengeschichte weiter aufarbeiten.

Yuko Kuhn erzählt ihre autobiografisch geprägte Geschichte über Heimat, Verlust und Neubeginn sehr souverän und fein mit vielen bildhaften Elementen – dabei bleibt sie in der Zeitleiste nicht linear, sondern springt kaleidoskopartig schnell in den Zeiten mit vielen Rückblenden. Sehr präzise und scharfsinnig beschreibt sie aus Akis Ich-Perspektive Details der japanisch-deutschen Unterschiede, aber auch zart und bewegend die Demenzkrankheit der Mutter und ihren Alltag. Gefühle hatten nie groß Raum, dafür wurde mit Essen belohnt und die vielen japanischen Gerichte bekommen einen sinnlichen Platz im Roman. Gekonnt blättert sie eindringliche Erinnerungen auf, während Keiko ins Vergessen rutscht. Wunderschöne Überschriften auf Japanisch sortieren die Kapitel und besonders die melancholisch-ergreifenden Szenen in Kobe im Haus der verstorbenen Großmutter bleiben haften. Ein empfehlenswertes Debüt!