Das berührende und vielschichtige Portrait einer Familie zwischen zwei Kulturen

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irene123 Avatar

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Aki, die Erzählerin der Geschichte, nimmt die Reise mit ihrer dementen Mutter Keiko zurück nach Japan zum Anlass, um über ihre Familie und ihre Kindheit/Jugend zu reflektieren. Was dabei entsteht, ist ein unglaublich berührendes Porträt einer sehr mutigen Frau, die einst voller Träume und Hoffnungen Japan verließ, um in Deutschland ein neues Leben aufzubauen.

Doch so wirklich heimisch und glücklich wird Keiko in Deutschland nie, ihre Ehe mit Akis Vater Karl steht von Anfang an unter keinem guten Stern, die Schwiegereltern lehnen sie ab und so driftet Keiko langsam in eine Depression. Der Kontakt zu ihren Freunden und Verwandten in Japan reißt mit der Zeit allmählich ab, auch gelegentliche Besuche machen deutlich, dass sie sich in Japan nicht mehr wohlfühlt. Ihr Ehemann Karl hat selbst mit schwerwiegenden Problemen zu kämpfen, und so sind es schließlich Aki und ihr Bruder Kenta, die sich schon in jungen Jahren um die eigenen Eltern kümmern müssen. Als Keikos Mutter Yasuko stirbt, reist Aki ein letztes Mal mit ihrer Mutter nach Japan, bevor es zu spät ist.

Die Geschichte wird von Aki nicht linear erzählt. Während sie sich auf die Reise mit ihrer Mutter nach Japan vorbereitet, beschäftigt sie sich intensiv mit ihrer Familiengeschichte und erkennt Zusammenhänge, die ihr vorher nicht klar waren. Immer wieder tauchen Erinnerungen aus der Vergangenheit auf, in nicht chronologischer Reihenfolge, und bieten neue Einsichten. Aki erkennt, wie mutig und abenteuerlustig ihre demente Mutter einst war und was es bedeutet, niemals von seinem Umfeld akzeptiert und wertgeschätzt zu werden.

Aki und ihre Mutter Keiko sind mir schon auf den ersten Seiten ans Herz gewachsen. Der ruhige, melancholische Erzählstil von Aki überträgt ihre Gefühle, ihre Sorgen und vor allem auch ihre Liebe der Mutter gegenüber, zu der sie nicht immer ein gutes Verhältnis hatte, sehr gut auf die Leser:innen. Zeitweise kamen mir die Tränen, so berührt war ich. Identifizieren konnte ich mich mit allen Figuren, auch mit Karl, der seiner kleinen Familie nie wirklich eine Stütze war. Doch die Rückblenden helfen Aki auch hier, sein Verhalten zu verstehen und sich letztendlich mit der Vergangenheit auszusöhnen.

Besonders gut gefallen hat mir die Art und Weise, wie die Autorin die dynamischen Beziehungen einer eigentlich dysfunktionalen Familie beschreibt. Sie nennt die Probleme nicht immer direkt beim Namen, sondern offenbart sie uns durch das Verhalten der jeweiligen Personen. So wird klar, dass auch Karls Elternhaus kein glückliches war.

Mein Fazit: "Onigiri" von Yuko Kuhn ist ein tief berührendes Buch, das einerseits die Schwierigkeiten aufzeigt, sich zwischen zwei Kulturen zu bewegen, und andererseits die komplexen Beziehungen zwischen Eltern und ihren Kindern beschreibt, die jedoch trotz aller Probleme von einer tiefen Liebe durchzogen sind.