Eine Familiengeschichte unter der Lupe

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julilutt Avatar

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Als Keikos Demenzerkrankung fortschreitet, begibt sich ihre Tochter Aki, Protagonistin des Buchs, auf eine Reise durch ihre Familiengeschichte. Sie betrachtet sowohl Keikos Vergangenheit als auch ihre Kindheitserinnerungen durch eine Lupe, die sie mal hierhin, mal dorthin wandern lässt. Dieses lupenhafte Abtasten der Familiengeschichte lässt die Erzählung in Yuko Kuhns Roman "Onigiri" sprunghaft wirken. Doch ergänzen sich die Erinnerungsfragmente, die dem realen Akt des Erinnerns gleichkommen, zu einem feinen Porträt Keikos, der wiederum diese Erinnerungen nach und nach abhanden kommen.

Tochter und Mutter begeben sich auf eine für Keiko vermutlich letzte Reise von Deutschland nach Japan. Aki versucht dabei mit Einfühlung und Respekt auf die neurodegenerativ bedingten Verhaltensänderungen ihrer Mutter einzugehen und wird mitunter überrascht, wenn Keiko zwischendurch mit völliger Klarheit auf die Herausforderungen der Reise reagiert.

Die Demenzerkrankung Keikos wird mit einem großen Gespür für ihre Würde beschrieben. Es zeigt sich, welch ein Balanceakt die Anpassung an die neue Lebenssituation sowohl für die Erkrankte als auch die Angehörigen darstellt. Für Aki ist es gleichermaßen wichtig wie schwierig, die Selbstbestimmtheit ihrer Mutter zu respektieren und gleichzeitig durch die Reflektion der Familienhistorie mehr zu sich selbst als Subjekt zu finden.

Yuko Kuhn gelingt eine präzise Beschreibung einer reflektierten Mutter-Tochter-Beziehung. Die detailierten, minutiösen Beschreibungen der Atmosphäre, in der Aki aufwächst, nehmen die Lesenden mit auf eine deutsch-japanische Reise.

Große Leseempfehlung!