Eine Tochter reist mit ihrer dementen Mutter nach Japan und durch die Erinnerungen

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jinx_75 Avatar

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Die Reise der Erzählerin Aki mit ihrer dementen Mutter Keiko in deren Heimat Kobe bildet die Rahmenhandlung für Erinnerung und Anekdoten. Diese kommen, wie Erinnerungen nun mal kommen: unstrukturiert, assoziativ, ausgelöst durch eine Umgebung, einen Person, eine Geste oder einfach nur so. In diesen Stil muss man sich kurz reinlesen, nicht immer ist sofort klar, auf welcher Zeitebene sich ein Absatz befindet. Trotzdem hat mir das Buch sehr gut gefallen. Aki und Keiko haben enges Verhältnis, die Anekdoten sind mal glücklich, mal alltäglich. Vor allem die Szenen, in denen die zunehmende Demenz der Mutter deutlich werden, finde ich herzerweichend traurig, z.B. als Keiko nach einem längeren Gespräch mit Aki fragt "Warum nennst du mich eigentlich immer Mama?".
Yuko Kuhn lässt ihre Figuren viele verschiedene Welten miteinander verbinden. Kultur, Sprache, gesellschaftliche Klasse. Keiko lässt traditionelle Rollen und Erwartungen hinter sich und geht alleine nach Deutschland. Sie lebt sich ein in der deutschen Welt und Kultur, bleibt dort aber im Grunde einsam. Mit ihren japanischen Freunden und Familie blüht sie auf. Sie heiratet einen Mann aus reichem Haus, dessen Familie sie nicht akzeptiert, die Enkelkinder jedoch schon. So sind auch die Aki und ihr Bruder zwischen zwei Welten - das Leben zu Hause mit ihrer Mutter ist vollkommen anders als die reiche Welt der deutschen Großeltern, in die Keiko nicht mitkommen darf.

Die Personen werden nicht ausführlich eingeführt, doch durch die Anekdoten habe ich trotzdem das Gefühl, sie gut zu kennen. Ein kurzes, oft trauriges Buch, nach dem man sofort seine Eltern anrufen möchte.