Emotionaler Roman über Demenz und eine Familie zwischen zwei Kulturen

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Als Aki vom Tod ihrer Großmutter erfährt, ist ihr klar, dass sie ihre demenzkranke Mutter Keiko noch einmal in ihre Heimat Japan bringen will, bevor das vielleicht nicht mehr möglich ist. Während der Vorbereitungen, auf der gesamten Hinreise und im Hotel wirkt Keiko verloren und scheint nicht recht zu begreifen, was vor sich geht. Ein Besuch in ihrem Elternhaus, bei ihrem Bruder und der Schwägerin bringt jedoch endlich ein wenig Ruhe und fördert Erinnerungen zutage. Zum ersten Mal seit langer Zeit scheint Keiko wieder in der Lage, für sich selbst zu sprechen und zu entscheiden.

„Onigiri“ ist der Debütroman der studierten Kulturwissenschaftlerin Yuko Kuhn. Zuletzt war sie an der Hochschule für Film und Fernsehen München tätig und arbeitet seit diesem Jahr als freiberufliche Autorin. Die Handlung wird aus der Sicht von Aki in der Ich-Perspektive und der Gegenwartsform erzählt, so als würden wir Tochter und Mutter auf ihrer Reise begleiten. Dabei lenkt die Autorin nicht nur den Fokus auf Demenz als Erkrankung, sondern zeichnet auch das Bild einer komplizierten Familie zwischen zwei Kulturen.

Es scheint, als sei Keiko nach ihrer Heirat mit einem deutschen Mann nie ganz angekommen. Dessen Eltern, Akis Großeltern, schlossen die „fremde“ Frau stets aus, so dass nie ein richtiges Verhältnis zwischen ihn entstand – nach der Trennung von Keiko und Karl und dessen Versuch, sich das Leben zu nehmen, wurde dieser Graben nur noch größer. Erst in hohem Alter schafft Keiko es zum ersten Mal, den Schwiegereltern die Stirn zu bieten und schlägt eine Einladung einfach aus.

Besonders emotional sind die Szenen zwischen Aki und ihrer dementen Mutter. Keiko vergisst immer wieder Lebensereignisse, wie zum Beispiel den Tod ihrer Mutter, und Aki muss ihr stets dieselben Dinge erklären. In einigen Momenten vergisst sie sogar, dass sie überhaupt Kinder hat. Yuko Kuhn beschreibt sehr eindringlich, wie Aki dabei an ihre Grenzen gerät und oft auch die Geduld verliert, während ihr Bruder Kenta oder ihr Mann Felix immer ruhig und besonnen bleiben.

Fazit: Ein emotionaler Roman über einen Abschied auf Raten und eine Familie zwischen Japan und Deutschland