Feine, leise Erzählung über Familie

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„Onigiri“ von Yuko Kuhn ist wie eine kleine, unscheinbare Schachtel, die sich erst nach und nach öffnet und dann einen erstaunlich tiefen Blick ermöglicht. Die Geschichte begleitet Aki, die mit ihrer an Demenz erkrankten Mutter Keiko nach Japan reist – zurück in die Heimat, bevor die Erinnerungen ganz verschwinden. Was zunächst wie eine Reisegeschichte klingt, entpuppt sich als feine, leise Erzählung über Familie, Identität und die Bruchstücke unserer Vergangenheit. Kuhn schreibt in einem unaufgeregten, beinahe minimalistischen Stil, der viel Raum für Stimmungen und leise Zwischentöne lässt. Die Rückblenden und Perspektivwechsel wirken anfangs etwas sprunghaft, doch gerade diese Brüche spiegeln Keikos fragmentierte Erinnerung und die innere Zerrissenheit der Figuren wider. Besonders schön ist, wie Alltagsgesten, etwa das gemeinsame Essen, plötzlich eine tiefe emotionale Bedeutung erhalten. Beim Lesen spürt man, dass es hier nicht um große Dramen geht, sondern um das Festhalten kleiner, kostbarer Momente. „Onigiri“ ist ein Buch für Menschen, die literarische Geschichten mögen, die nicht laut werden müssen, um lange nachzuhallen.