Fernes Japan trifft auf fremdes Deutschland - Ein Familienpuzzle

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juma Avatar

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Yuko Kuhn hat mit "Onigiri" ihren ersten Roman vorgelegt, der mir sehr gut gefallen hat. Hauptperson und Ich-Erzählerin ist Aki, Tochter einer Japanerin und eines Deutschen, die in Deutschland aufwächst und nun am Ende des Lebens ihrer Mutter Keiko versucht, die Familiengeheimnisse zu lüften. Was nicht so einfach ist, denn ihre Mutter ist an Demenz erkrankt. Aki versucht, es möglichst allen recht zu machen, aber auch ihre Geduld kommt manchmal an ihre Grenzen. Trotzdem hat sie sich in den Kopf gesetzt, mit ihrer Mutter noch ein einziges Mal nach Japan zur Familie zu reisen, letztlich ist es der Tod der japanischen Großmutter mit über 100 Jahren, der sie aufrüttelt. Auch wenn sie versucht ihrer Mutter, alles zu erklären und zu erzählen, diese vergisst es im Handumdrehen und Aki ist alarmiert. Die Reise nach Japan gestaltet sich trotzdem nicht schwierig, das mag auch mit dem geduldigen Temperament der Japaner an sich zu tun haben. Sei es der fröhliche Onkel oder die alte Freundin der Mutter, die es erträgt, dass Keiko sie nicht mehr erkennt. Die Autorin charakterisiert jede ihrer Figuren sehr einfühlsam, auch wenn sie kritisch ist, bleibt die Liebe immer vordergründig.
Das Buch ist mit rund 200 Seiten nicht sehr umfangreich, aber sehr anrührend und gut zu lesen. Die japanische Kultur, das fremde Essen, die unbekannten Worte, das alles erzeugt eine vertrauliche und empathische Atmosphäre für den Leser. Sehr gefallen hat mir das Glossar. Am Anfang gibt es auch ein Inhaltsverzeichnis mit den japanischen Kapitelüberschriften und deren Übersetzung. Warum die deutsche Übersetzung bei den Kapitelanfängen weggelassen wurde, weiß ich nicht. Ich musste jedenfalls doch immer wieder vorn nachschauen.
Der liebevolle Umgang von Felix, Akis Ehemann, mit seiner dementen Schwiegermutter hat mich tief berührt und ließ mich an meinen Mann und meine Mutter denken, die ein ähnliches Verhältnis hatten. Ebenso gut gefielen mir die Szenen in Japan im Hause des Onkels. Aki erzählt ihre und die Geschichte ihrer Mutter, ihrer Familie in einem ständigen Wechsel der Zeiten und Orte, ein bisschen gewöhnungsbedürftig war dieser ständige Wechsel teilweise. Aber immer noch leichter zu verfolgen als im Hörbuch, das für mich den Anlass gab, dieses Buch in seiner gedruckten Version zu lesen. Als Zuhörer musste man versuchen, die japanischen Worte im Kopf zu behalten, im Buch vor- und zurückzublättern ist leichter. Was Onigiri tatsächlich bedeutet, gibt auch das Buch nicht sofort preis, man kann es natürlich googeln.
Fazit: Ich empfehle das Buch sehr gern, es lässt einen Blick zu auf ein Japan, wie wir Europäer es nicht so gut kennen.