komplex und intensiv, und nicht leicht zu lesen

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hiclaire Avatar

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Geschichten, die in der japanischen Kultur angesiedelt sind, haben oft einen ganz eigenen Zauber für mich und deshalb war ich gespannt, was mich hier erwarten würde. Dass ich mit dem Roman nicht rundum warm geworden bin, liegt mehr an der Erzählweise als an den Themen. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass gerade die Art und Weise wie Yuko Kuhn diese Geschichte einer japanisch-deutschen Familie aufbaut und präsentiert absolut genial ist. Diese Erkenntnis kam mir während des Lesens allerdings noch nicht, da war ich erst mal froh, die Lektüre bewältigt zu haben. Aber mit etwas zeitlichem Abstand hat sich mein Blick auf das Buch ins Positive verschoben.

Momentaufnahmen und Eindrücke aus der Gegenwart mischen sich mit Erinnerungen. Aus Akis Kindheit und Jugend, aus dem Leben von Akis Mutter und Vater und dessen urdeutscher Familie. Alles purzelt scheinbar unstrukturiert durcheinander, doch mit der Zeit entsteht daraus das überaus eindringliche Bild einer Familie, die mit den kulturellen Unterschieden überfordert gewesen ist. Die Atmosphäre im Haus der Großeltern väterlicherseits erfüllt jede Menge großbürgerliche Klischees und trifft auf problematische Weise auf die japanische Lebenswelt von Keiko. Deren Kinder, Aki und Kento stehen immer dazwischen…

Ich hatte den Eindruck, dass die Beziehung zwischen Mutter und Tochter eng, doch nie einfach gewesen ist, und nun versucht Aki der zunehmenden Demenz ihrer Mutter Keiko gerecht zu werden - und über ihrer Frustration und Hilflosigkeit die liebevolle Zuneigung nicht zu verlieren.

Die Autorin erzählt die Geschichte in einer klaren Sprache, Emotionen werden nicht groß in Worte gefasst, sondern schwingen zwischen den Zeilen oder verstecken sich in knappen Nebensätzen, was sie für mich umso intensiver macht. Diese kleinen Sätze, wie nebenbei, die schwer wiegen und mit wenig Worten viel ausdrücken, fand ich wunderbar. Gerne würde ich an dieser Stelle ein paar zitieren, fürchte aber, das funktioniert nicht, denn der Zauber und die Intensität erschließen sich fast immer aus dem Kontext.

Es gibt unendlich viele und ausführliche Beschreibungen von Räumen, Orten und Essen, die mich mit der Zeit immer weniger interessiert und den Lesefluss erschwert haben. Allerdings konnte ich auch hier nicht einfach mal drüber lesen, denn diese kleinen sprachlichen Perlen, die ich so sehr mochte, wollte ich auf keinen Fall versäumen.

Eine intensive Geschichte, klug und einfühlsam, mit melancholischer Atmosphäre, aufgrund der Erzählweise nicht leicht zu lesen.