Mutter, Tochter, Fremde

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aischa Avatar

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Yuko Kuhns Roman "Onigiri" bewegt sich geschickt zwischen Fiktion und Autobiografie. Sowohl die Autorin als auch ihre Ich-Erzählerin Aki haben einen deutschen Vater und eine japanische Mutter – eine Parallele, die dem Text spürbare Authentizität und emotionale Tiefe verleiht.

Die Geschichte entfaltet sich auf zwei Erzählebenen: In der Gegenwart begleitet Aki ihre an Demenz erkrankte Mutter auf eine letzte Reise nach Japan, um dort die Verwandten zu besuchen. Diese Reise wird immer wieder von Rückblenden unterbrochen, die das frühere Leben der Mutter beleuchten – eine junge Frau, die einst allein nach Deutschland auswanderte, um dort eine neue Existenz aufzubauen. Kuhn schildert eindrücklich, wie sie sich in einer ihr fremden Kultur zurechtfinden muss, mit den ablehnenden Schwiegereltern, der psychischen Erkrankung ihres Ehemanns und schließlich der Einsamkeit als Alleinerziehende.

Besonders stark ist der Roman dort, wo er gesellschaftliche und kulturelle Spannungen sichtbar macht. Kuhn gelingt es, die Schwierigkeiten und Vorurteile darzustellen, mit denen Einwander*innen in Deutschland konfrontiert sind – damals wie heute. In diesen Momenten überzeugt "Onigiri" als feinfühlige, manchmal schmerzhafte Studie über Fremdsein, Anpassung und Identität.

Weniger überzeugend wirken hingegen die innerfamiliären Konflikte. Weder die Beziehung der Eltern noch Akis immer wieder auflodernde Wut auf ihre Mutter waren für mich wirklich greifbar oder psychologisch nachvollziehbar. Gerade hier hätte ich mir mehr Tiefe und Blick ins Innere der Figuren gewünscht, um ihre emotionalen Brüche besser zu verstehen.

Der Anhang mit japanischen Begriffen ist hilfreich, die japanischen Kapitelüberschriften blieben für mich leider dennoch meist ohne sichtlichen Bezug zum Inhalt.

Trotz dieser Schwächen bleibt Onigiri ein lesenswerter Roman, der mit leisen Tönen und autobiografischer Ehrlichkeit einen wichtigen Beitrag zur deutsch-japanischen Migrationsgeschichte leistet. Yuko Kuhn zeichnet das Porträt zweier Frauen, die zwischen zwei Kulturen aufwachsen und ihren Platz in der Welt suchen – ein Thema, das über die persönlichen Grenzen der Erzählung hinausweist.