Adrenalin in Reinstform

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kleine hexe Avatar

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Zunächst einmal, das Titelbild ist sehr überzeugend für einen Thriller und stimmt uns sogleich darauf ein. Ist ein Einschussloch in Glas nicht immer sehr eindringlich?
Polizeikommissar Camille Verhoeven untersucht einen Raubüberfall in einer Pariser Einkaufspassage. Auf den Überwachungsvideos muss er mit ansehen, wie Anne Forestier, die Frau die er von ganzem Herzen liebt, brutal von den Gangstern zusammen geschlagen und wiederholt angeschossen wird. Wie durch ein Wunder trifft sie keine der Kugeln und sie überlebt. Schwer verletzt und schrecklich zugerichtet, aber sie überlebt. Gleichzeitig erfahren wir, dass unter den drei Gangstern, die diesen Überfall ausgeführt haben, Uneinigkeit herrscht und zwei von ihnen mittels „akuter Bleivergiftung“ sterben. Mein Mitleid mit ihnen hält sich sehr in Grenzen. Dafür geht mein ganzes Mitgefühl zu Anne, der schönen vitalen Frau die nun gebrochen und verunstaltet in einem Krankenhausbett liegt. Und zu Camille, der mit den Ermittlungen beginnt und die Zeit lieber an ihrem Bett verbringen würde. Bisher könnte man sagen, ein „gewöhnlicher Thriller“. Doch jetzt folgen hoch interessante Theaterstreiche, die uns den Überfall in einem neuen Licht sehen lassen. Und am Ende ist nichts mehr so wie es am Anfang war. Denn am Ende ist Anne nicht Anne und der brutale Juwelenräuber mehr als nur ein gewöhnlicher Räuber. Und irgendwann stellt sich die Frage nach dem Buchtitel: wer ist hier das eigentliche Opfer? Wer ist Täter? Der Originaltitel im Französischen lautet „Sacrifices“. Wer opfert sich, sein Leben oder sein Lebensglück für wen auf? Wer ist dieses Opfers Wert?
Spannend, atemlos, eines jener Bücher das man nur aus der Hand legt, weil die unweigerlichen Danksagungen am Ende des Buches dran sind. Interessanterweise bedankt sich Lemaitre auch bei den Schriftstellern in deren Werke er Anregungen für sein Buch gefunden hat. Das ist kein Plagiat. Das ist wahre Größe.