lesenswert, gut geschrieben, spannend

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palatina Avatar

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Es spricht für diesen Thriller, dass man weiterlesen möchte, auch wenn ein Kapitel gerade zu Ende gegangen ist.

Der Aufbau ist ungewöhnlich: Der Roman gliedert sich in drei Teile. Teil eins und drei bilden die Rahmenhandlung, Teil zwei ist eine Art Einschub.

In Teil eins erfährt man, worum es geht: Ein Serienmörder, der seine Opfer übel zurichtet, hält einen Kommissar und sein Team sowie die Presse auf Trab. Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Die Figuren sind dabei als Persönlichkeiten gut ausgearbeitet. Der Schreibstil erinnert ein wenig an Wallander-Krimis.

Besonders interessant ist der zweite Teil: Die Geschichte wird aus der Sicht der Täterin erzählt. Hier wechseln tagebuchartige Rückblicke und lineare Erzählstränge. Das irritiert zunächst, macht aber auch neugierig. Die Erzählerin reflektiert hier häufig ihr eigenes Verhalten. Zum Teil lässt sie dabei aber dem Leser durch zu viele Erklärungen zu wenig Raum für eigene Gedanken und Verknüpfungen. Allerdings verhindert dieser Einschub, dass der Thriller in das Klischee von Gut und Böse abdriftet. Was in der Täterin vorgeht, offenbart zutiefst menschliche Abgründe. Hier geht es darum, wie wir zu dem werden, was wir sind, und wie schwer es ist, sich von seinen Prägungen zu befreien. Hier geht es auch darum, wie mühsam es ist, als Eltern gut zu sein. Das berührt an einigen Stellen sehr und regt zum Nachdenken an.
Die Persönlichkeit der Täterin und die Motive ihres Handelns werden zwar deutlich und sind nachvollziehbar.  Allerdings sind die Details der Taten, die sie begeht, und das, was ihr selbst widerfährt, schwer zu ertragen: Übelster Foltermord gehört vielleicht zum Genre, aber in diesem Thriller geht der Autor dabei zu sehr ins Detail. Auch drängen sich dem Leser, der spätestens in Teil zwei weiß, dass es sich um ein Täterin handelt, Zweifel an der Durchführbarkeit der Taten auf. Ist es überhaupt kräftemäßig möglich, dass eine Frau eine leblose Person zum Auto schleppen, sie hinein wuchten und später mithilfe einer Seilwinde hochheben und festnageln kann? Ist es tatsächlich so einfach, einen Taser zu besorgen und damit ausgewachsene Männer außer Gefecht zu setzen. Schwer vorstellbar. Möglicherweise nimmt es der Autor hier nicht so ganz genau. Zum grandiosen mittleren Teil hätte ein Giftmord oder eine raffiniert eingefädelte Intrige vielleicht besser gepasst.

Die Geschichte wird schließlich in Teil drei weitererzählt. Das Ende ist einigermaßen überraschend: Auch erfahrene Krimileser, die natürlich schon ein paar Seiten früher ahnen, wie alles zusammenhängt, kommen zum Schluss auf ihre Kosten.

Nach dem Lesen wird deutlich: Der Titel ist ausgesprochen  gut gewählt, denn die "Opfer" sind zahlreich und nicht jeder kommt dabei zu Tode. Die Kategorien Opfer und Täter verschmelzen miteinander und das regt am Ende zum Nachdenken an.

Insgesamt eine lesenswerte, gut geschriebene, spannende Unterhaltung.