Außergewöhnlicher Thriller mit mehreren Opfern

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marionhh Avatar

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Mitte der 80er Jahre wird das idyllische Küstenstädtchen Ernemouth Schauplatz eines grausamen Mordes. In der Boulevardpresse wird das Verbrechen als Ritualmord hochstilisiert, ausgeführt von Satansjüngern. Für die Tat wird die jugendliche Außenseiterin Corrine Woodrow verurteilt und in einer psychiatrische Anstalt weggesperrt. 20 Jahre später wird der Fall neu aufgerollt. Anwältin Mathers hat neue Spuren, die zumindest Zweifel an Woodrows alleiniger Schuld aufkommen lassen. Sie setzt den ehemaligen Detective Sergeant der Londoner Metropolitan Police, Sean Ward, auf den Fall an. Ward stochert herum und stößt auf eine Mauer des Schweigens. Er bekommt Steine in den Weg gelegt, erhält aber auch von unerwarteter Seite Hilfe. Nach und nach kommt die schreckliche Wahrheit ans Licht...

Spannend, erschreckend, fesselnd, zutiefst verstörend! In zwei Zeitebenen erzählt die Autorin die Geschichte und deckt so nicht nur die Tat an sich, sondern auch die grausamen Hintergründe auf. Sean Ward ist ein sympathischer Ermittler, trotzdem eher ein Antiheld, ein traumatisierter und gehandicappter Ex-Polizist, dem, will er dem Vorruhestand entgehen, nur der Detektivjob bleibt. Mit diesem Fall hat er etwas, das seine grauen Zellen endlich mal wieder fordert. Hierbei erhält er Hilfe von der örtlichen Polizei und der Chefredakteurin der Lokalzeitung. Routiniert spult Sean sein Programm ab, nimmt DNA-Proben, spricht mit den Einwohnern und den damals Involvierten und stochert tief im Inneren des vermeintlich idyllischen Touristenortes herum. Unerwartete Hilfe erhält er jedoch nicht von den angepassten Einheimischen, sondern von Außenseiterin Noj, die ihn mehr als einmal vor großen Gefahren warnt und Schlimmeres verhindert. Nur mit ihrer Hilfe kann er schließlich hinter die Fassade schauen und die Mauer durchbrechen, und dies macht sie zu einem der wichtigsten Charaktere im Buch.

In der zweiten Zeitebene wird in einer Zeitspanne von etwa 10 Monaten aus den verschiedenen Perspektiven der Protagonisten die Zeit bis zur Tat erzählt. Langsam wird hier die Spannung aufgebaut, subtil und zum Schluss in immer kürzeren Wechseln, und gerade dadurch folgt man als Leser immer atemloser dem Verlauf. Nichts ist wie es scheint, und die Fassade braver und geachteter Bürger wird eine nach der anderen zerstoßen. Insgesamt wird die Spannung zum Einen durch den klassischen Krimitrick erzeugt, dass der Leser immer etwas mehr weiß als der Ermittler und sich fragt, ob dieser dieses Dickicht überhaupt wird lösen können. Zum Anderen verwendet die Autorin hier einen außergewöhnlichen weiteren Trick an: Der Leser weiß bis zum Schluss nicht, wer eigentlich das Opfer ist. Dies wiederum haben uns der Ermittler und alle anderen voraus, und es steigert die Spannung ins Unermessliche.

Das eigentliche Todesopfer wird jedoch schon fast uninteressant, da es in diesem Thriller mehr als ein Opfer gibt. Corrine z.B. wird zum Bauernopfer, aufgrund ihrer Kindheit und Herkunft prädestiniert, als solches auserkoren zu werden. In diesem Sinne finde ich den deutschen Titel ungleich passender als den englischen „Weirdo“, auch wenn die Außenseiter im Buch eine wesentliche Rolle spielen. Geschickt verwebt die Autorin die Protagonisten und deren Schicksale miteinander, mehr als einmal kommt Unerwartetes ans Licht, mit dem auch Sean Ward umgehen muss. Keiner ist ohne Schuld, jeder hat seine Vergangenheit und sein Päckchen in der Zukunft zu tragen. Seans Herumstochern bringt jedoch auch den einen oder anderen dazu, sein Schweigen zu brechen und ungeachtet seiner Vergangenheit der Wahrheit ans Licht zu helfen.

Fazit: Der Autorin ist ein außergewöhnlicher Thriller gelungen, der seine Spannung einerseits mit Hilfe klassischer Krimielemente, andererseits mit Methoden wie Auslassungen, dem Vorenthalten von Informationen oder literarische Methoden wie schnelle perspektivische Wechsel gewinnt. Auf subtile Weise werden die Geschichten der Einzelnen miteinander verwoben und zum Schluss vollständig aufgelöst. Einziger Kritikpunkt: Ich hätte mir einen intimeren Einblick ins Seans Charakter gewünscht; er bleibt doch oft recht oberflächlich. Die Lösung des Falls wird dem Leser auf der zweiten Zeitebene nahe gebracht, und Sean bleibt mitunter recht passiv und zu sehr abhängig von der Hilfe anderer. Nichtsdestotrotz in jedem Fall ein Buch zum Mitfiebern, und gerade dieses häppchenweise Verabreichen von Informationen steigert die Spannung ungemein und macht es zu einem echten Pageturner.