Opfer und Weirdos

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buecherfan.wit Avatar

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In Cathi Unsworths Roman “Opfer” versucht Privatdetektiv Sean Ward Licht in einen 20 Jahre alten abgeschlossenen Fall zu bringen. Damals wurde ein Jugendlicher bestialisch ermordet. Die Anwältin der Verurteilten will mit Hilfe neuer Beweise ein Wiederaufnahmeverfahren beantragen. Die inzwischen möglichen DNA-Analysen beweisen, dass Corrine Woodrow nicht allein am Tatort war. Seit 20 Jahren ist Corrine in der Psychiatrie eingesperrt. Vielleicht war alles ganz anders, als die Polizei damals die Öffentlichkeit glauben machen wollte.

Sean Ward, der nach schweren Schussverletzungen schon in jungen Jahren aus dem aktiven Polizeidienst ausscheiden musste, stößt bei seinen Ermittlungen im fiktiven Badeort Ernemouth in Norfolk auf einen Sumpf von Korruption und Verbrechen. Die Polizisten haben seinerzeit auf Befehlt des damaligen Polizeichefs Len Rivett nicht ermittelt, sondern vertuscht. Auch nach seiner Pensionierung ist Ernemouth noch immer seine Stadt, und Rivett zieht alle Fäden. Seine scheinbare Kooperation erweist sich als umfassende Manipulation, und die Zeugen, die damals zur Entlastung von Corrine Woodrow nicht aussagen durften, geraten genauso in Lebensgefahr wie die Journalistin Francesca, die Sean Ward bei den Ermittlungen unterstützt. Niemand in der Stadt will, dass die alte Geschichte wieder aufgerollt wird. Rivett hat in all den Jahren seine Macht und seinen Reichtum vermehrt, indem er die Schwachstellen seiner Mitbürger für sich ausgenutzt hat. Er hat alle in der Hand und sich selbst nach allen Seiten abgesichert.

Die Autorin erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen: 1983/84 und 2003. Sehr eingehend und authentisch schildert sie die Ereignisse, die in dem trostlosen Nest zu der furchtbaren Tat führten. Sie schreibt spannend und überzeugt durch sorgfältige Zeichnung der Charaktere. Für die Jugendlichen gab es damals kaum Alternativen zum Rummelplatz. Sie waren Mitglieder der Postpunk-Grufti-Szene, kleideten sich düster und beschäftigten sich mit Schwarzer Magie. Ihr Musikgeschmack wurde zum Ausdruck einer rebellischen Haltung. Das ist sehr gelungen in einen raffinierten Plot eingebaut.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, wobei der deutsche Titel “Opfer” es nicht so ganz trifft. Der Originaltitel “Weirdo” (“verrückter Typ” ) lenkt das Augenmerk eher auf die Täterin als auf das oder die Opfer.