Komplexe Zusammenhänge verständlich erklärt

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scarletta Avatar

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Giulia Enders hat vor einem Jahrzehnt mit ihrem Sachbuch „Darm mit Charme“ bereits als Medizinstudentin ein fulminantes Debüt abgeliefert. Für Laien gut verständlich ist sie damals mit viel Witz, Charme und Liebe zu Details in ein Thema abgetaucht, das bis dahin eher leicht verschämt angesprochen wurde. Man hatte das Gefühl, Hinweise und Wissen über seinen Darm mitgenommen zu haben, die man im Alltag gut umsetzen kann. Dazu haben auch die humorvollen anschaulichen Illustrationen ihrer Schwester beigetragen. Ich habe das Buch mehrfach verschenkt und weiterempfohlen.

Da war es ja klar, dass ich ihr zweites Buch unbedingt haben muss. Mit dem Titelbild wird das Sachbuch „Organisch“ vielleicht nicht bei jeder/m Leser/in große Freude wecken. Ich finde es aussagekräftig und auch ästhetisch gelungen.

Anders als in ihrem Erstling befasst sich die Autorin in diesem Buch mit verschiedenen zentralen Organen und Systemen des Körpers. In fünf Kapiteln werden jeweils die Lunge, das Immunsystem, die Haut, die Muskeln und das Gehirn ins Zentrum gestellt.
Die Kapitel werden jeweils eingeleitet mit recht persönlichen Erinnerungen an bestimmte Familienmitglieder und damit verbundene Themen wie z.B. Verlust, Kraft o.ä., die dann zu den jeweiligen Organen führen. Man lernt etwas über dessen Eigenarten und Auswirkungen. Manches weiß man schon, anderes lernt man hier auf verständliche Weise kennen. Auch Neues aus der Medizin und Forschung wird angesprochen.

Die Autorin bringt eine eigene Sichtweise auf die organischen Abläufe im Körper ein. Sie möchte die oft verwendeten Metaphern, die sich auf Maschinelles beziehen, ersetzen. Stattdessen überträgt sie organische Prozesse und Prinzipien auf das menschliche Leben und ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben.

Es wird ein verständlich aufbereitetes Wissen rund um den Körper vermittelt. Dieses Wissen führt zu einem anderen, besseren Verhältnis zum eigenen Körper. Das Ziel ist, den Blick auf den Körper zu verändern, sich mit ihm als Team zu sehen.
Man lernt, wie man Signale des Körpers erkennen und einordnen kann. Auf den Körper zu hören, heißt innere Rhythmen und Bedürfnisse wahrzunehmen. Eine neue Perspektive auf die Organe und körperliche Systeme könnte motivieren, die Lebensführung dementsprechend zu ändern und den Alltag anders zu strukturieren

Im Bereich der Haut ist mir da besonders die Macht der Berührung und im Kapitel Gehirn die große Rolle des Schlafes im Bewusstsein geblieben.
Giulia Enders schreibt immer noch lebendig und empathisch, allerdings wird manchem – wie mir - vielleicht Witz und die Lockerheit ihres ersten Sachbuches fehlen. Andere Leser schätzen vermutlich nun eher den sachlicheren Ton.

Eigentlich sind die recht persönlichen Einführungen in die Kapitel ganz nett, haben mir persönlich aber für das Verständnis der organischen Abläufe nicht viel gebracht. Stattdessen kontrastieren sie eher mit der folgenden sachlichen Perspektive und dem ernsthafteren Ton.

Dadurch, dass mehrere Organe thematisiert wurden, gelingt es nicht, weiter in die Tiefe zu gehen. Dafür wird das vernetzte Zusammenwirken der Organe und Systeme im Körper deutlicher.
Insgesamt ist es der Autorin gut gelungen, ihren Lesern einen verständlichen Zugang zu den, genau betrachtet, sehr komplexen Zusammenhängen zu vermitteln.