Das Buch selbst ist fantastisch - aber wo war das Lektorat??

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ismaela Avatar

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Das Buch "Original Meisterfälscher - Ego, Geld und Größenwahn" ist ein Sachbuch der Extraklasse! Da ich selbst in diesem Bereich arbeite, habe ich mich mit großer Spannung an das Werk herangemacht. Noah Charney, der bereits andere Werke zum Thema Kunst veröffentlicht hat, und in der Kunstszene nicht ganz unbekannt ist, ist es gelungen, mit dem vorliegenden Buch einen wahren Krimi zu schreiben, den man kaum aus der Hand legen kann.

In acht Kapiteln beschreibt der Autor, was Fälscher veranlasst, zu solchen zu werden, wie sie sich organisieren (oft möchten sich nicht nur Fälscher bereichern, sondern auch Händler, ab und an aber auch Käufer/Besitzer), wie sie ihre Kunst ausüben, und letztendlich entlarvt und bestraft werden. Noah Charney gelingt es, eine Vielzahl von Fälschern vorzustellen, ihre Beweggründe aufzuzeigen, und wird nur selten emotional oder subjektiv. In der Regel versucht er, auf neutrale Art und Weise dem Leser zu vermitteln, welche Gründe für eine Fälscherkarriere sprechen, und warum es so einfach ist, zu fälschen. Es geht nicht nur darum, in der gleichen Art und Weise zu arbeiten wie der kopierte Künstler, es geht auch darum, dass viele Menschen getäuscht werden wollen. Doch gleichzeitig merkt man es dem Autor an, dass er eine tiefe Abneigung gegen Fälscher hegt, und sehr oft die laschen Strafen - vor allem in Deutschland - anprangert, die Fälscher erwarten, wenn sie erwischt werden. Damit nicht genug: durch das Auffliegen werden Fälscher oftmals zu wahren Stars, die dann erst recht in Geld und Ruhm schwimmen.

Viele angesprochene Dinge in diesem Buch haben mich mitgerissen - etwas zu erfahren, dass Michelangelo selbst gefälscht hat, oder das das Getty Museum eine Vielzahl von Fälschungen besitzt, einfach aufgrund der Tatsache, dass viel Geld noch lange kein Wissen garantiert (was vor allem bei Museen, die einen riesen Ankaufsetat haben, nicht mal so selten vorkommt). Auch hat mich etwas überrascht, dass viele Fälschungen im direkten Vergleich mit Originalen teilweise jahrzehntelang nicht als Fälschungen erkannt werden - wenn ich mir die beiden Bilder auf den Seiten 116 und 117 anschaue, ist die Fälschung doch recht anders als die Originaltechnik. Aber wie gesagt, die Welt möchte eben getäuscht werden...

Ein weiterer Pluspunkt sind auch Beschreibungen von Kunstkopieen, die von den Malereien weggehen, wie Keramiken oder Statuen. Zum Schluss des Buches werden einige Methoden der forensischen Untersuchungen aufgezählt, die man zur Überprüfung von Kunstobjekten heranziehen kann, um zu kontrollieren, ob diese nun echt sind, oder nicht. Ein Glossar über weitere Untersuchungsmethoden runden das Ganze ab. Auch das Verhältnis von Text und Bildern finde ich sehr ausgewogen, alles in allem ein wirklich gutes Projekt.

Normalerweise würde ich die "volle Punktzahl" geben, aber es gab eines, was mich immer wieder über Textstellen stolpern ließ: es gibt in diesem Buch verhältnismäßig viele "Wort-Fehler". Das fiel mir gleich zu Anfang auf, als ich mir die Bibliografie am Schluss ein bisschen ansehen wollte und fettgedruckt als Überschrift "Auswahlbliografie" gelesen habe, statt "...bIBliografie (S. 277). Und das ist nicht der einzige Rechtschreibfehler bzw. das Fehlen von Buchstaben. "Die Echtheit wurde GEsprochen" statt BEsprochen (S. 19), "Als Antike erwarb ihn..." statt "Als antik erwarb ihn..." (S. 36), "[sie] hatten in entdeckt..." statt "[sie] hatten ihn entdeckt..." (S. 164), sehr oft kommt der Ausdruck vor: "XY klagte Z" obwohl es "XY klagte GEGEN Z" oder "XY VERklagte Z" heißen müsste (z. B. auf S. 89), es gibt Sätze wie "... in der Mitarbeiter auf je eine Stilperiode spezialisiert waren und die Werke unter Dossenas angefertigt haben" (S. 172), und die Fußnote 19 im Kapitel "Zu Beginn" wird in den Anmerkungen überhaupt nicht aufgeführt.
Diese ganzen "Kleinigkeiten" stören den Lesefluss nicht wesentlich, und auch die Informationsfülle wird nicht eingeschränkt. Aber für ein Buch für knappe 30 Euro finde ich diese Fehlerdichte doch sehr erstaunlich. Deshalb muss ich auch leider einen Stern abziehen.

Alles in allem: für Interessierte ein absolut lesenswertes Buch, das man kaum aus der Hand legen kann. Daumen hoch!