Ein mutiges Wow

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
katercarlo Avatar

Von

Wow, das muss gesagt werden. Ein eigensinniges Buch, das für seinen Mut ein dickes Lob zu Beginn seiner Rezension verdient, auch wenn es es einem definitiv nicht einfach macht.
Das „Wow“ bezieht sich zunächst auf den Schreibstil. Es wird ja viel über den Wert des ersten Satzes in einem Roman diskutiert. Der erste Eindruck zählt, argumentieren viele. Ich stimme hier nicht bei jedem Buch zu, aber bei diesem auf jeden Fall. Der erste Satz hier ist einfach toll und geht einer Reihe weiterer voraus, die für vieles anderes in der Geschichte entschädigen.
So folgt diesem begeisterten „Wow“ eine etwas fassungsloses „Wow“: denn die Geschichte hat keinerlei Hemmungen die unangenehmsten, pikantesten und am wenigsten liebenswürdigen Fassetten ihrer Charaktere offenzulegen. Auch das braucht Mut.
Das Problem des Buches ist wohl, dass es zu viel zu sagen hat und sich zu waghalsig in die Erzählung stürzt. Es erwartet von seinen Lesern ebenso mutig über die Klippen von Raum und Zeit in die gewaltige Seitenflut einer turbulenten Familiengeschichte zu springen – etwas zu dem ich persönlich eigentlich zu feige bin. Schließlich hat der Schreibstil mich aber genug umschwärmt und meine Neugierde gekitzelt, um den Sprung zu wagen. Ich wollte diese tolle Erzählung nicht einfach so ziehen lassen. Also tauchte ich ein in die Welt von „Otmars Söhne“. Ich musste immer wieder an die Oberfläche tauchen und nach Luft schnappen. Ich musste stellenweise gegen den Widerstand zäher Passagen kämpfen. Ich verlor die Orientierung, als die Übermacht an Gedanken und Sätzen der Geschichte wie eine Welle über mich schwappte. Es war nicht einfach, aber am Ende tauchte ich aus der Geschichte auf, wie aus einem kräftezerrenden Actionausflug, der die Glieder müde macht und in einem den Wunsch weckt jetzt erst einmal eine ganze Weile nichts tuend auf der Couch zu liegen. Gleichzeitig freut man sich aber auch eine Erfahrung reicher zu sein und ein unabwendbares „Wow“ kommt über die Lippen, erinnert man sich zurück. So ist das Buch.
Damit waren es schon drei „Wow“s. Ein viertes gilt den bereits erwähnten Personen in der Erzählung, die nicht sympathisch sondern absolut diskutabel sind und damit hervorragende Buchfiguren.
Abschließend will ich dann noch sagen, dass das mutige, knallige Cover mein fünftes und letztes „Wow“ verdient. Das Layout mag die Meinungen spalten, aber mir gefällt es in seiner schlichen Buntheit sehr gut. Es sticht heraus und bleibt im Gedächtnis.
So wie das gesamte Buch. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, hoffe und fürchte mich zugleich vor einigen weiteren „Wow“-Erlebnissen.