Sechshundertzwanzig Seiten Lesegenuss!

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mike nelson Avatar

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Es braucht schon einmal ein wenig Überwindung, zu einem sechshundertzwanzigseitigen Wälzer zu greifen - und das in dem Wissen, dass es sich um den ersten Band eines auf drei Bände angelegten Werkes mit offenbar insgesamt 111 Kapiteln handelt; zwar startet Peter Buwaldas Roman 'Otmars Söhne' mit dem Kapitel 111, es wird aber nicht 'rückwärts erzählt'. Ein Buch, bei dem man konzentriert am Ball bleiben muss, weil sich oft unvermittelte Zeitsprünge mitten in den Kapiteln ereignen. Und der erste Teil ist am Ende auch nicht in irgendeiner Weise 'rund' oder mit einem 'cliffhanger' versehen... es könnte im hoffentlich bald erscheinenden zweiten Band einfach so weiter gehen. Das Buch überzeugt durch seine Sprachgewalt - eine lohnenswerte Anstrengung also. Die meisten Figuren sind irgendwie düstere Mängelwesen, von ihrer Biographie (an-) getrieben, mit Licht- und Schattenseiten ausgestattet. Genial, wie Buwalda zwischenmenschliche Beziehungen seziert und auch nicht davor zurückschreckt de Sade artige sexuelle Exzesse zu beschreiben, ohne dabei obszön-voyeuristisch zu werden. Das Zusammenspiel der Figuren ist genial komponiert - Gegenparts, die sich im Weltgeschehen die Waage halten. ("Eine hübsche pseudowissenschaftliche Theorie, fand sie, die Vorstellung, dass jeder Mensch ein unsichtbares Anti-Du hatte, das die Schöpfung im Gleichgewicht hielt, einen Erdball mit lauter Gegenfüßlern.") Und Sätze wie der folgende, müssen ja erst einmal zur Welt gebracht werden: "Was also machte sein Gehirn, dieses tragbare Weltall, in dem Freuden und Ängste ihre elliptischen Bahnen ziehen?" Ja, ich hatte beim Lesen tatsächlich das Gefühl, das Gehirn des Autors sei ein 'tragbares Weltall' - zumindest aber scheint Buwalda sich in einen wahren Rausch geschrieben zu haben. Unbedingt lesen!