Wuchtig

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emmmbeee Avatar

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Im klapprigen Hotel Mithos auf der Insel Sachalin begegnen sich Ludwig Smit und Isabelle Orthel. Es stellt sich heraus, die sich nicht vollkommen fremd sind. Allmählich entrollt sich die Vergangenheit mit ihren Untiefen, den Zusammenhängen, den Irrtümern und Verhängnissen. Es gibt zwei Väter, die unterschiedlicher nicht sein könnten: einen biologischen, der sich schon bald verflüchtigt hat, und einen Stiefvater mit zwei eigenen Kindern. Auch die sind außergewöhnlich.
Was das Lesen nicht gerade erleichtert, sind die übergangslosen Zeit-, Szenen-, Personen- und Ortswechsel. Gerade noch wurden Isabels Gedankengänge erhellt, im nächsten Absatz sind es die von Johan oder Ludwig, der eigentlich Dolf heißt. Viel ist von Beethoven die Rede, dem ein kleiner Junge bis zur Gehörlosigkeit nacheifert. Wenn von der Kette die Rede ist, war mir nicht immer klar, ob es das Lederband mit dem Absinth-Löffel oder die fesselnde Eisenkette um Isabels zarten Hals war.
Buwalda malt Bilder, die an Hieronimus Bosch denken lassen, etwa bei den Horrorzähnen von Timothy Spade. Da ist von sexuellen Exzessen die Rede, absurde Passagen geben Neurosen und Besessenheit bei Kindern die Hand. Und auch die Namensähnlichkeit mit dem ehemaligen US-Präsidenten kommt nicht von ungefähr. Es geht um Fehler und Versäumnisse, Reue und Bemühen. Unerwartete Querverbindungen überraschen immer wieder aufs Neue.
In diesem Buch kommt vieles wuchtig daher, nicht nur sein Umfang. Gewaltig ist der Bogen, welchen Peter Buwalda spannt in dieser breit gefächerten Familiengeschichte, die quasi hinten anfängt, bei Kapitel 111. Der nächste Band der Trilogie wird folgerichtig bei 74 beginnen.
Nicht leicht verdaulich ist auch die Kost, die dem Leser mit dem Inhalt serviert wird. Auch räumlich holt der Autor aus: die Niederlande, Amerika, Nigeria, Japan und Russland sind die (vorläufigen) Schauplätze. Weitere werden bestimmt noch hinzukommen.
Welchem Protagonisten kann ich meine Sympathie schenken? Schwierige Frage. Am ehesten Ludwigs geduldiger Frau Juliette. Eine meisterhafte Sprache, souverän nennt sie auch Heikelstes beim Namen, beschreibt schonungslos das Ungeheuerlichste und Unverständlichste. Doch hat sie in etlichen zähen Passagen auch ihre Schwachpunkte.
Die Umschlaggestaltung ist die einzig mögliche, ein Nonplusultra. Hier haben keinerlei Schnörkel Platz, und sie springt in einer Auslage sofort ins Auge. Ebenso der Titel: Er dürfte nicht länger sein.